Wie Hundertwasser uns die Mülltrennung bescherte

Lukrative Deals zwischen Künstlern, Museen und der Politik gab es immer schon. In unterschiedlichster Qualität allerdings.

Wohlverhalten wird belohnt, so ist das in der aktuellen SP-Kulturpolitik. Stimmt etwa das Leopold-Museum endlich einer jahrelang verhandelten Restitution zu und verschafft dem Minister einen gloriosen Auftritt als charmanter Diplomat, dann bekommt das Museum, laut Ministerbüro natürlich völlig zufällig, wenige Tage später die Million Euro mehr fürs Budget, die man dort seit Langem zu Recht fordert. Eine Million pro Jahr – genau die Summe, die die Weiterführung des Essl-Museums den Bund gekostet hätte – aber woher hätte man das bitte nehmen sollen? Hieß es vor nur wenigen Wochen dazu aus dem Kulturministerbüro. Hm.

Die Million dem Leopold- und nicht dem Essl-Museum zu geben, ist zumindest eine klare kulturpolitische Entscheidung. Dass man sich dabei auf angeblich fehlendes Geld ausgeredet hat, ist weniger fein.

Derartige unausgesprochene Deals zwischen Kunst und Politik haben aber auch schon zu ganz anderen, durchaus überraschenderen Ergebnissen geführt. Über einen der spektakulärsten Deals, über den man lang munkelte und nie wirklich etwas wusste, gibt jetzt ein neues Buch Auskunft. 1987 hatte Wiens Bürgermeister Helmut Zilk – übrigens ganz ohne Kommission oder sonstige Feigenblätter – Friedensreich Hundertwasser eingeladen, das Fernwärmewerk Spittelau, also die Müllverbrennungsanlage, architektonisch zu gestalten.

Bis heute steht man kopfschüttelnd davor. Warum nur hat gerade Österreichs berühmtester Öko-Künstler und Nachhaltigkeitsfanatiker Hundertwasser dieser „Dekoration einer Dreckschleuder“ zugestimmt? Das sieht und das sah tatsächlich wie der Totalverrat an der Umweltbewegung aus. Im Hintergrund aber hatte Hundertwasser seine Forderungen gestellt. So bestand er etwa darauf, dass die Spittelau zumindest die „sauberste“ und modernste Verbrennungsanlage Europas werden sollte. Vor allem aber forderte er von Zilk, dass in Wien ein Mülltrennungssystem eingeführt werde. Was 1988 auch tatsächlich geschah – seither und dank Hundertwassers künstlerischen Kompromisses wandern heute also Flaschen zu Flaschen und Altpapier zu Altpapier. Guter Deal.

Einen ähnlich direkten Zugang zur Politik hat unter den heutigen Künstlern vielleicht gerade einmal Erwin Wurm. Allerdings haben sich sowohl die Visionen von Künstlern als auch die von Politikern gravierend geändert. Dass Bruno Kreisky etwa 1979 die Friedensfahne und das „Friedensmanifest“ Hundertwassers an die Staatsoberhäupter aller Länder des Nahen Ostens geschickt hat, wirkt heute fast wie ein Märchen. Kreisky arbeitete übrigens auch mit einem Hundertwasser-Bild im Blick – in seinem Zimmer hing „Der große Weg“ als Leihgabe des Belvedere. (Im Kulturministerium Ostermayers hängt heute übrigens Wurms viele Nummern zu großer roter Wandpullover. Auch eine Ansage.)

Derartige Hundertwasser-Anekdoten erfährt man im dieser Tage im Kunsthaus Wien präsentierten, sehr kurzweilig gehaltenen Buch „100 x Hundertwasser“, geschrieben von Caro Wiesauer. Auch Dinge, die man lieber gar nicht so genau wissen wollte, etwa Hundertwassers Zugang zu Frauen. „Ja, Frauen sind für mich so wie schöne Blumen und schöne Pflanzen.“ Wow! Immerhin folgte gleich die Einsicht: „Mein Verhältnis zu Frauen ist nicht ideal, und es ist auch nicht zu imitieren.“ Dass ihm unter diesen Voraussetzungen gerade eine Studentin namens Waltraud Höllinger in den Sechzigerjahren als Aktmodell „diente“, klingt da fast wie ein Treppenwitz. „Waltraude“ heißt das Bild. Das Modell heißt heute Valie Export.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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