Wegen angeblicher Verstöße gegen die Compliance-Regeln wurde das Findungsverfahren für die neue Doppelspitze des Belvedere ausgesetzt.
Es war eines der üblichen internen Rundschreiben im Belvedere, das im Juni ausgesandt wurde, diesmal zu den Compliance-Regeln, sozusagen den Moralregeln im Umgang mit Geschäftspartnern, die jedes große Unternehmen hat. Keine Bestechung, keine Aufträge an Familienmitglieder etc. Eh klar. Ein Punkt aber war neu: Wer Fehlverhalten bei einem Mitarbeiter bemerke, müsse bei der Meldung nicht mehr den Dienstweg einhalten. Sondern könne sich jetzt direkt und anonym an die Korruptionsstaatsanwaltschaft wenden. Was natürlich auch Tür und Tor für Vernaderung öffnet. Gerade in einer Schlangengrube wie einem Museumsbetrieb. Gerade im Belvedere, in dem sich die Direktorin zwar durch blendende Ergebnisse, aber nicht unbedingt durch die sanfteste Mitarbeiterführung auszeichnet. Wenn jemand Feinde hat im Kunstbetrieb, dann ist es Agnes Husslein. Nicht unbedingt förderlich, wenn man sich mitten in der Wiederbewerbung um die eigene Position befindet. Diese hätte zwar schon im Mai entschieden werden sollen, durch den Ministerwechsel wurde man aber auf „vor dem Sommer“ vertröstet.
Prompt geschah es also – Husslein wurde angezeigt. Am Montag gab der Kuratoriumsvorsitzende des Museums, Hans Wehsely, bekannt, dass wegen Compliance-Vorwürfen gegen „die Geschäftsführung und leitende Angestellte“ der Bestellungsprozess ausgesetzt und eine Sonderprüfung eines Wirtschaftsprüfers beantragt wurde. Klingt nach einer Riesenintrige.
Was wird hier gespielt – „House of Arts“? „Burg II“? Was hier vor allem erstmals sichtbar wird, ist ein interner Kampf ums Überleben, der sich seit März an der Spitze des Feldherrinnenhügels im Oberen Belvedere abspielt. Die Stimmen verdichteten sich gestern jedenfalls dahingehend, dass die Info des angeblichen Compliance-Verstoßes Hussleins von der Kaufmännischen Direktorin des Museums selbst, Ulrike Gruber-Mikulcik, kam. (Sie war bis Redaktionsschluss für die „Presse“ nicht erreichbar.) Hinter der kolportierten Feindschaft dieser beiden Frauen – angeblich sprechen auch die Teams der beiden nicht mehr miteinander – steckt eine erstaunliche Entwicklung. Hat sich Husslein im März doch noch ausdrücklich nur im Doppelpack mit ihrer Kauffrau um Verlängerung beworben. Es folgte ein (allzu) langer Ausschreibungsprozess. Ein Ministerwechsel. Und viele Unsicherheiten. Die Angst, das Amt zu verlieren. Die Angst, die Macht plötzlich (mit einer künftig gleichberechtigten kaufmännischen Geschäftsführung) teilen zu müssen.
Und jetzt die Angst, dass man, wie andere Museumsdirektoren-Kollegen vor einem, letztlich wegen Lappalien bzw. eingerissener Unarten, die man intern hätte abstellen müssen, öffentlich demontiert wird. Das scheint das ambivalent zu beurteilende Los charismatischer Museumsdirektoren zu sein, die sich selbst (zu sehr) mit ihrem Museum identifizieren. Gerade Husslein hätte das nicht verdient. Wenn man schlicht bei den Fakten bleibt. Bei der von ihr erreichten Neupositionierung, ja Neuerfindung des Belvedere. Bei den von ihr erreichten beachtlichen Besucher- und Einnahmenzahlen.
E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2016)