Die absurden Argumente des Botschafters Prosor

Kritische Anmerkungen zu den Thesen, die Israels Vertreter bei den Vereinten Nationen zum Palästina-Problem vorgebracht hat.

Wenn man sich den Text der Rede des israelischen Botschafters bei den UN, Ron Prosor, vom 29. November, in der es um die Anerkennung Palästinas als UN-Beobachterstaat ging, durchliest, stößt man rasch auf Ungereimtheiten. Diese ergeben sich aus einem Dilemma, das schon lang besteht: Es war immer leichter, Fakten zu setzen, als sie zu rechtfertigen. Und weil der Verkauf eines faulen Produkts schwierig ist, muss eine Menge Propaganda (hebr. „Hasbarah“) verwendet werden. Je schwieriger es wird, eine Politik zu vertreten, desto absurder wird die „Hasbarah“. Einige Beispiele:

„Frieden ist ein zentraler Wert der israelischen Gesellschaft.“ Jeder Israel-Kenner weiß, dass außer als Begrüßungsformel praktisch niemand vom Frieden spricht, es ist ein „dirty word“ geworden.

„Die Palästinenser sollen Israel als jüdischen Staat anerkennen ... und den Konflikt für beendet erklären.“ Die Palästinenser (PLO, Palästinensische Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas) haben Israel schon mehrmals offiziell anerkannt. Die Forderung „als jüdischen Staat“ wurde nachgereicht, um Verhandlungen zu erschweren. Abbas wird die Ideologie nicht akzeptieren, die zur Entwurzelung und Besetzung seines Volkes geführt hat; er wird sich nie als Zionist outen. Zudem ist es an Israel selbst, den Charakter des Staates zu definieren.

Israels „Zersiedlungspolitik“

„Nur Verhandlungen (,ohne Vorbedingungen‘!) und die Anerkennung Israels als jüdischer Staat (s.o.)können den Palästinensern helfen.“ Israel führt seit mindestens 1993 offizielle Verhandlungen mit den Palästinensern („Oslo-Vertrag“), die sich als Ergebnis einen eigenen Staat erwarten (Zweistaatenlösung). Zugleich „zersiedelt“ Israel das Territorium, auf dem ein solcher Staat errichtet werden sollte.

„2005 zog Israel seine Siedlungen aus dem Gazastreifen ab und die Palästinenser verwandelten Gaza in einen iranischen Terror-Stützpunkt.“ Zunächst war das Motiv des Abzugs demografisch – der Anteil der Palästinenser an der von Israel beherrschten Bevölkerung sollte reduziert werden. Die Übergabe war nicht mit der Autonomiebehörde koordiniert, was zu chaotischen Zuständen führte.

Keine Marionette Teherans

Schon vor dem Wahlsieg der Hamas (2006) und deren Machtübernahme (2007) schnürte Israel den Gazastreifen ein und unterbrach die Verbindung zum Westjordanland – gegen die Bestimmungen des Oslo-Vertrags.

Gaza ist nach wie vor besetzt, weil Israel die vollkommene Kontrolle über Grenzen, Warenverkehr, Luftraum und die Küste (bis zu drei Kilometer bleiben den Fischern) ausübt. Hamas ist keine Marionette Teherans, obwohl sie vom Iran Waffenteile bezieht. Seit den Unruhen in Syrien hat sich Hamas von Damaskus abgewandt und an dem durch die Muslimbrüder (aus denen Hamas hervorgegangen ist) beherrschten Ägypten orientiert.

„Vor 3000 Jahren herrschte König David von Jerusalem – seitdem lebten Juden in dieser Stadt.“ Die Berufung aus eine mythische Geschichte kann als schwaches Argument gelten. Außerdem war Jerusalem (das 5000 Jahre alt ist) immer – mit einigen Ausnahmen – eine multikulturelle Stadt. Heute sind etwa ein Drittel der Bewohner Araber. Sie könnte ein Modell für Binationalität in Israel/Palästina abgeben.

Interessant ist noch, dass Botschafter Prosor die „Argumente“, die sein Chef Benjamin Netanjahu im September vor der UN-Generalversammlung vorgebracht hatte, nicht wiederholte. Damals meinte der Premier, Palästina würde ein „judenreiner, fundamentalistischer Apartheid-Staat“ werden...

John Bunzl ist Senior Fellow am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) und (emeritierter) Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2012)

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