Honecker wäre erblasst...

Die Kampagne für die Wiener Volksbefragung und der Wahlkampf in Niederösterreich erinnern fatal an dunkle Epochen.

Verstehen Sie die erste Frage, jene über die „Parkplatzsituation“? Was ist übrigens eine Parkplatz„situation“? Wurscht. „Es sollen für jeden Wiener Bezirk Parkraumregelungen eingeführt werden.“ Also was jetzt? Dieselben Regelungen? Überall? Und Parkraum für wen? (Autos, Räder, Mopeds, Fiaker?)

Sodann – Olympische Sommerspiele 2028. In 15 Jahren! Wir bedankten uns, hätte 1998 die Wiener Bevölkerung uns so etwas aufgebrummt. Zudem steht in der Jubelwerbung für die kommende Volksbefragung: „Welche Anlagen müssen adaptiert werden?“ Die Hohe Warte, die Krieau, Turnzimmer in Parteilokalen?

Und es wird jetzt voll negativ: „Sollen kommunale Dienstleistungsbetriebe geschützt werden?“ Sic! „Geschützt“ – vor wem? Vor böser Privatisierung, einer Art Kettensägenmonster? Oder gar dann die „erneuerbaren Energieprojekte“. Auch sic! Projekte sollten erneuerbar sein? Und überhaupt das Schlagwort von „erneuerbarer Energie“. (Es wäre fein, wenn verbrauchte Energie tatsächlich „erneuerbar“ wäre und nicht bloß neuerlicher Zuführungen bedürfe. Nur, die Physik will das nicht.) Aber, egal. Was wirklich bei der kommenden Volksbefragung schockiert, sind weniger diese Blödheiten, sondern die Werbemaßnahmen, damit überhaupt jemand hingeht und so die Peinlichkeit für die Stadtregierung mildert.

Lauter glückliche Bobos

Haben Sie schon in die Massenaussendungen hineingeschaut? Oder gar die Plakate einmal demokratiebewusst betrachtet? Da herrscht Meinungs- und Stimmungsmache vor, dass selbst Herr Kim Jong-un oder das Politbüro der Tea-Party noch etwas lernen könnte. Glückliche Bobos suhlen sich dort im unverparkten Straßenverkehr. Olympischer Lorbeer– vergoldet – winkt.

Kommunales Wassertrinken als Stimme des Volkes macht mobil gegen den feuchten Raub, wobei noch zusätzlich argumentiert wird, dass bei „privaten Anbietern“ die „Qualität der Daseinsvorsorge“ litte. („Daseinsvorsorge“! Da zerbrechen sich Philosophen seit Aristoteles, Descartes und Heidegger in Jahrtausenden die Köpfe, was es denn mit dem Leben als Geworfenes zwischen Transzendenz und Immanenz an sich habe – das befragte Volk weiß es: „Daseinsvorsorge“!) Aber wirklich bedenklich sind die Werbematerialien für die Energiesachen: Strahlende Stadtbäuerinnen hocken erntend wie auf Stalinismus-Kolchose-Gemälden, hinter ihnen ein Wald an Solarplatten.

Ist jemandem schon aufgefallen, dass in einer entwickelten Demokratie solch eine Penetranz, solche Suggestivbilder (auf Steuerkosten) mega-out sind? Zudem wird mit einem Riesenkreis für das Abstimmkreuzerl geworben. Es erinnert leider an die Abstimmungsverpflichtung so etwa 1938.

Aber keine Sorge. Über Niederösterreich hat sich flächendeckend das Gesicht eines Herrn Erwin Pröll gelegt, gütig, nachdenklich, wissend – alle paar hundert Meter. Honecker oder Castro wäre erblasst. Man wirbt sogar schon damit, überhaupt nur mehr einen Pröll anzukreuzen. Man – pardon – scheißt sich also nicht mehr um das, was Parteiendemokratie heißt.

Da ist es in Wien doch noch fein. Da liest man bloß: „Wien will's wissen“.

Dr. Otto Brusatti (*1948) ist Musikwissenschaftler, Autor, Regisseur und Radiomoderator.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2013)

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