Eine ordinäre Führerpartei aus Glücksrittern und Querulanten

Gastkommentar. Am Beispiel von Frank Stronachs Aufsteigerteam: Österreichs Parteienspektrum gebärdet sich immer schräger und schriller.

Zwei Landtagswahlen sind bereits gelaufen, zwei weitere werden in den nächsten Tagen folgen, und Ende September stehen Nationalratswahlen an. Die bisherigen Ergebnisse lassen auf keinen eindeutigen Trend schließen. Die ÖVP hat ihre absolute Mehrheit in Niederösterreich gehalten und sich bei der Volksbefragung punkto Beibehaltung der Wehrpflicht durchgesetzt.

Die SPÖ hat zwar in Niederösterreich verloren, dafür aber in Kärnten den Landeshauptmann zurückerobert. Haiders Nachfolger wurden dort regelrecht hinweggefegt. Dessen letztes politisches Projekt, die Orangenpartei BZÖ, wird bald Geschichte sein.

Der große Aufsteiger der Saison ist der austrokanadische Multimillionär Frank Stronach, der sowohl in Kärnten als auch Niederösterreich gleich einmal zehn Prozent der Stimmen abstaubte. Der 80-Jährige führt das nach ihm benannte Team wie eine Firma. Warum sollte hier nicht erfolgreich sein, was dort geklappt hat?

Mandate und Posten werden gehandelt wie auf dem Basar. Wer gekauft wird, wer was werden wird und wem was zugesteckt wird – das entscheidet letztlich der Meister selbst.

„Was der Frank sagt, gilt“

Wer nicht spurt, muss gehen. So sagt etwa ein Funktionär über den anderen, was der andere wohl auch über diesen sagt: „Laki denkt nur an sich und will abkassieren. Ich werde das dem Frank auch sagen.“ Einig sind sich alle Kontrahenten aber in Folgendem: „Was der Frank sagt, gilt. Da gibt es gar keine Diskussion.“

Er könne gar nicht überstimmt werden, stellte Stronach erst unlängst ganz lapidar in den ORF-Abendnachrichten fest. Wahrlich, so hat man sich die Reifung der Demokratie vorgestellt – als die völlige Entmündigung der Unmündigen.

Endlich haben wir, was wir brauchen – eine ordinäre Führerpartei. Eine, die sich ohne Umschweife dazu bekennt. Was sich hier anschickt, ist eine Formation zutiefst autoritärer Charaktere, deren Personal mehrheitlich aus Obskuranten und Querulanten, auf jeden Fall aber aus Karrieristen und Glücksrittern besteht. Wie aufgezogene Spielzeuguhren sagen sie auch brav Stronachs Werte auf, die da lauten: Wahrheit, Transparenz, Fairness.

Manchmal ist es wie in einem schlechten Film. In Tirol wollten gleich drei Listen im Namen Stronachs antreten. Von der Wahlbehörde akzeptiert wurde ausgerechnet eine, die von Stronach nicht autorisiert worden war. Deren Listenersten hatte er erst aus der Landespartei eliminieren lassen.

Aber um überhaupt kandidieren zu können, hat der Milliardär jene Abtrünnigen jetzt trotzdem anerkannt, was wiederum zur Folge gehabt hat, dass die bis dato favorisierten Jünger nun beleidigt sind und das Weite suchen. Nach den Zerwürfnissen haben sich die Kontrahenten sogar geprügelt. Die Polizei musste einschreiten, um die Parteifreunde zu trennen.

Wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft schlagartig auf. Ist Frank nicht zu Hause – und das ist oft der Fall – üben sich die überforderten Befehlsempfänger in Messerstechereien. Erkennbar ist nur, dass viele etwas werden wollen, und zweifellos sind so ein Posten und so ein Mandat finanziell lukrativ.

Das eben präsentierte Parteiprogramm wiederum ist ein jämmerliches Dokument der Worthülsen und Beteuerungen. Was zählt, sind die marktgängigen Assoziationen, einfache und eingängige Slogans, Volksvorurteile des gemeinen Menschenverstands, die sich in seinem Plakatspruch zusammenfassen lassen: „Weil er die Wirtschaft am besten versteht.“

Kopfnicken statt Kopfschütteln

Das führt aber zu allgemeinem Kopfnicken anstatt zu Kopfschütteln. Denn, offen gefragt: Was muss das für eine Wirtschaft sein, die gerade von solchen Leuten am besten verstanden wird? Die volle Börse ersetzt jedes Argument.

Nicht inhaltlich wäre die Programmatik zu diskutieren, sondern warum sie in ihrer Grobschlächtigkeit beim Publikum verfängt. Was vorliegt, ist ein Verdichtung der obligaten populistischen Anmache. Daher steht das Team Stronach auch in direkter Konkurrenz zu Straches FPÖ, die wohl darunter am meisten zu leiden hat, ist doch ihr Monopol für das Zu-kurz-Gedachte dahin.

Der fast doppelt so alte Stronach wirkt abgebrühter und gerissener als Heinz-Christian Strache. Der hat überhaupt das Problem, dass er nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, was ihn auch sichtlich nervös macht.

Das traditionelle Angebot Straches sieht gegen den Alten alt aus. Es gerät mehr und mehr aus den Fugen. Und dabei handelt es sich nicht bloß um eine politische Erosion, sondern um eine Erosion des Politischen. Die Parteienlandschaft zerbröselt. Das Politische selbst überzeugt immer weniger, und zwar in all seinen Varianten und Aspekten. Das obligate Parteigezänk wird immer schräger und schriller. Politik ist abschreckend geworden.

Der Ausverkauf der Politik

Verdrossenheit und Wahlenthaltung nehmen daher kontinuierlich zu, und die Stammwählerschaften sind im Verschwinden begriffen. Die Wähler flanieren wie in einer Einkaufspassage. Die Konkurrenz der Eindrücke dominiert über die Konkurrenz der Interessen. Die Stimmabgabe wird zusehends zu einer taktischen, ja zufälligen Entscheidung, die oft noch dazu erst im letzten Moment erfolgt.

Auffällig ist weiters, dass die Partei- und Listengründungen systematisch zunehmen. Ein richtiger Zwergenaufmarsch hat sich bereits in Bewegung gesetzt.

Stronach ist so etwas wie das letzte Sonderangebot – der Ausverkauf, den die Politik zu bieten hat. Aber derlei goutiert ein breites Segment der politischen Kundschaft. Ohne Rücksicht auf Verluste greift sie zum Billigsten im Sortiment. Die Leichtgläubigkeit ist frappierend. Geradezu versessen lässt man sich für dumm verkaufen. Es blüht der Masochismus.

Man mag dem Personal der etablierten Parteien ja zu Recht kritisch gegenüberstehen, aber was Stronach anbietet, das ist die Selektion des oder der Allerletzten. Kompetenz ist eine antiquierte Tugend. Unfähigkeit und Unzuverlässigkeit hinterlassen indes keinen langfristigen Schaden.

Nicht anders, sondern nur ärger

Gegen Stronach sind die existierenden Parlamentsparteien Horte der Seriosität. Gegen die Primitivität des Team Stronach sind alle Altparteien differenzierte, ja hochsensible Aggregate. Stronach ist nicht anders, sondern ärger.

Stronach ist aber alles andere als eine Posse. Sein Auftreten ist nicht zufällig, sondern symptomatisch. Das politische System ist „reif“ für solche Figuren. In naher Zukunft wird er gut abschneiden, wenn auch nicht in der Höhe, von der er fantasiert. Zweifellos ist es zwar nur eine Frage der Zeit, bis dieses Projekt verpufft oder kollabiert, aber ähnliche werden folgen.

Stronach ist kein Ausdruck von alpenländischer Zurückgebliebenheit, sondern Avantgarde eines sukzessiven Zerfalls der Politik. Nur Italien ist hier weiter. Aber Österreich ist schon flott unterwegs.

Zum Autor


E-Mails an: debatte@diepresse.comDr. Franz Schandl,geb. 1960 in Heidenreichstein. Studium der Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Wien, lebt dortselbst als Publizist. Zahlreiche wissenschaftliche und journalistische Veröffentlichungen im In- und Ausland. Herausgeber der Zeitschrift „Streifzüge“: www.streifzuege.org [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2013)

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