Ein bisschen Uni an die Schulen bringen

Gastkommentar. Viele Probleme der Studierenden würden wegfallen, wenn sie mehr Informationen über das gewählte Studium hätten.

In der „Presse“ vom 24. Juli wurde über die Studierendensozialerhebung berichtet. Dabei wurde v.a. die Geschlechterthematik hervorgehoben, die suggeriert, dass Frauen erfolgreicher studieren als Männer. Insgesamt hat die Auswertung der Studie allerdings deutlich mehr zu bieten, und das Thema ist brandaktuell.

Schon bald werden viele Studienanfänger ebenso wie schon Studierende darüber grübeln, ob ihre Wahl die richtige war. In vielen Fällen wird die Antwort darauf „Nein“ lauten; das Studium wird abgebrochen oder gewechselt – das belegen die hohen Drop-out-Quoten an den Universitäten.

Das Problem ist den Universitäten und dem Ministerium seit Jahren bewusst: Verpflichtende Beratungen, Studieneingangsphasen und Eignungstests wurden ausprobiert. Auch die Studierendensozialerhebung gehört in diese Aufzählung. Dort werden Studierende nach Studienmotiven und –zufriedenheit gefragt. AHS-Absolventen beginnen demnach häufig aus „diffusem Interesse“ zu studieren.

In meiner Masterarbeit, die Studienrichtungen der Technischen Universität und der Universität Graz untersuchte, fand ich heraus, dass das Problem nicht nur AHS-Absolventen betrifft – die meisten Studienanfänger, die nicht facheinschlägig vorgebildet sind, haben keine Ahnung, was im gewählten Studium auf sie zukommt.

Unbekanntes Terrain

Sie begeben sich auf vollkommen unbekanntes Terrain und hoffen darauf, dass die Informationen, die sie vor Studienbeginn mühsam zusammenkratzen konnten, zufällig die richtigen waren. Allein jene Studierenden, die sich bereits im Vorfeld intensiv mit den Studieninhalten auseinandersetzen konnten, schließen ihr Studium eher ab.

Das zeigt sich bei HAK-Absolventen, die BWL studieren, oder bei HTL-Absolventen, die ein facheinschlägiges Studium an der TU absolvieren. Der eingangs zitierte Bericht über die Studierendensozialerhebung legt nahe, dass Studentinnen erfolgreicher als Studenten seien. Bei den von mir untersuchten 24 Studienrichtungen spielten Geschlechtsunterschiede jedoch keine Rolle, der Unterschied zwischen Studierenden mit unterschiedlichen Vorkenntnissen hingegen war gravierend.

Unausgegorene Maßnahmen

Will man die Zahl der Studienabbrüche senken, müsste man an diesem Punkt ansetzen, anstatt einen Haufen Geld für unausgegorene Maßnahmen auszugeben. Frühzeitiges Auseinandersetzen mit verschiedensten Studieninhalten während der Schullaufbahn könnte Abhilfe schaffen. Was spricht dagegen, während der AHS-Oberstufe ein bisschen Universität an die Schule zu bringen? Eine Stunde pro Woche, in der Gastvortragende von den Unis in die Klassen kommen und einige Wochen mit den Schülern die Inhalte verschiedener Studienrichtungen erarbeiten.

Das ist naturgemäß nicht so intensiv wie ein ganzer facheinschlägiger Schulzweig – aber wenn man sich über zwei bis drei Monate einmal wöchentlich mit einem Thema auseinandersetzt, ist man deutlich schlauer als nach der Recherche im Internet oder einem kurzen Gespräch mit Studienberatern. Diese Aufgabe könnten ja durchaus höhersemestrige Studierende übernehmen, wie es sie auch als Tutoren/Studienassistenten für jüngere Studierende an den Universitäten gibt. Der zusätzliche Vorteil dieser Idee könnte eine breitere Streuung der Studienanfänger sein. Allein dadurch, dass auch kleinere Studienrichtungen vorgestellt werden, sollte die Anfängerzahl in BWL und Psychologie gesenkt werden.

Für eine derartige Maßnahme wäre eine große Portion politischen Willens notwendig, sich mit der Wurzel des Problems auseinanderzusetzen und wirklich etwas zu verändern, anstatt sich mit Alibiaktionen Kritiker vom Leib zu halten.

Eva Stadler studierte Soziologie an der Universität Graz und untersuchte in ihrer Abschlussarbeit die Gründe für Studienabbrüche in unterschiedlichen Studienrichtungen an der TU und der Universität Graz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2013)

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