Warum die Med-Uni Wien und das AKH Alarm schlagen

Österreich ist gerade auf dem besten Wege, das internationale Rennen um Spitzenleistungen in der Medizin zu verlieren.

Als Zeichen öffentlichen Widerstands gegen die jetzige Form der österreichischen Bildungs- und Spitalsplanung ist der offene Brief der Professorenschaft der Med-Uni Wien und des AKH zu verstehen. Gemeinsam mit den Mitarbeitern sind diese Professoren für die Spitzenstellung von Med-Uni Wien und AKH als Arbeitsstätte der meisten hochrangig zitierten Forscherinnen und Forscher Österreichs (s.“Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht2011“) verantwortlich. Sie stehen für die drei entscheidenden Kategorien, die Universitätskliniken von anderen Spitälern unterscheiden: erstens Lehre, zweitens Forschung, drittens internationaler Wettbewerb.

In der „Presse“ (17.August) wurde ihnen jedoch „Angst vor anderen Standorten“ und „Karriereinteressen“ vorgeworfen. Das ist eine absurde und durch Fakten widerlegbare Unterstellung, die nicht unwidersprochen bleiben darf:

Gerade die Forschung, das Zugpferd schlechthin für Wirtschaftswachstum und Innovation, ist in Österreich traditionell ein Stiefkind. So war auch in Österreich die Situation der biomedizinischen Forschung bis in die späten 1980-Jahre blamabel – der Output lag ca. 40 Prozent unter dem Weltdurchschnitt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich dieser Output allerdings dramatisch gesteigert: Ein Drittel der gesamten österreichischen Wissenschaftsleistung kommt mittlerweile aus der Medizin.

Eine Leuchtturmfunktion

Die Wiener Universitätskliniken und die Gründung des AKH im Jahr 1992 waren für diese Entwicklung maßgeblich. Der Löwenanteil aller internationalen Publikationen und mehr als zwei Drittel aller Publikationen im Spitzensegment kommen aus der Med-Uni Wien. Die Wiener Kliniken sind somit das einzige österreichische Zentrum mit international sichtbarer kritischer Masse, sowohl für Spitzenmedizin als auch für Forschung. Sie spielen – gemeinsam mit den theoretischen Instituten – konstant jährlich über 80Millionen Euro an Drittmitteln ein, der höchste Wert aller österreichischen Unis.

Versagen der Politik

Ein Großteil dieser Mittel fließt in Personal, die Med-Uni Wien schafft somit hunderte High-Tech-Arbeitsplätze. Ebenso werden an der Med-Uni Wien – nach den beiden Technischen Universitäten Wien und Graz – die meisten Patente generiert.

Leider hat es den Anschein, dass diese beeindruckende Dynamik der letzten 20 Jahre nun durch politische Nicht- und Fehlinvestitionen im Hochschul- und Spitalsbereich aufs Spiel gesetzt wird. Allein diese Sorge hat die Professorenschaft der Med-Uni Wien dazu bewogen, in einem Brief an die verantwortlichen Politiker von Bund und Stadt Wien auf Mängel aufmerksam zu machen und eine angemessene Finanzierung für nachweislich erfolgreiche Forschung und Spitzenmedizin an der Med-Uni Wien und ihren Universitätskliniken im AKH Wien zu fordern.

Immerhin geht es um die Sicherung auch der wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes in einer globalisierten Wissensgesellschaft, sodass sich die Frage erhebt, was wir in Österreich eigentlich wollen.

Die Forschungsstrategie der Bundesregierung sieht einen Aufholprozess Österreichs in Forschung und Technologie in Schlüsseltechnologien an die international führenden Nationen vor. Im Bereich Biomedizin sind wir aber auf bestem Wege, das Rennen zu verlieren. Und das hat nichts mit Angst, Karrieredenken oder anderen niedrigen Motiven zu tun.


Markus Müller ist Universitätsprofessor der Medizinischen Universität Wien und leitet die Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie im AKH Wien. Seit 2011 ist er Vizerektor für Forschung der Med-Uni Wien.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2013)

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