New Orleans: Auferstanden aus Brackwasserfluten...

Vor acht Jahren hatte in den USA der Wirbelsturm „Katerina“ die Überflutung einer ganzen Stadt zur Folge. Wie geht es ihr heute?

Am 29.August2005, heute vor acht Jahren, ging der Hurricane „Katrina“ östlich von New Orleans an Land. Die gewaltigen Böen des Wirbelsturms Kategorie 5 richteten beträchtliche Schäden an. Was aber die Stadt an den Rand des Ruins trieb, war der Bruch von Deichen, wodurch unkontrolliert Brackwasser aus dem See Pontchartrain in die Stadt strömen konnte. 80 Prozent von New Orleans wurden bis zu einer Höhe von vier Metern überflutet.

Mehr als 1300 Menschen ertranken in den Fluten. Es dauerte drei Wochen, um das Wasser wieder aus der Stadt herauszupumpen. Die ins ganze Land in Sicherheit gebrachten Stadtbewohner kamen teilweise erst nach Monaten wieder zurück, manche überhaupt nicht mehr. New Orleans hatte vor „Katerina“ rund 450.000 Einwohner, heute hat sie noch 370.000.

Allerdings zählt der suburbane Raum New Orleans bis zu 1,3 Millionen Einwohner, gleich viel wie vor dem Wirbelsturm. Viele Menschen sind aus den gefährdeten südlichen und östlichen Gebieten der Stadt in höher gelegene Gegenden umgezogen.

Aber wie geht es der schwer heimgesuchten Stadt acht Jahre nach „Katerina“? Die Regierung in Washington hat nach der Katastrophe 14,5 Milliarden Dollar in die Dämme und Pumpsysteme im Umkreis der Stadt investiert, um New Orleans vor einem weiteren Jahrhundertsturm zu schützen. Die Dämme um die Stadt wurden verstärkt und teilweise von fünf auf zehn Meter erhöht. Kanäle wurden mit neuen Schleusen und Pumpsystemen ausgestattet.

Verschwinden der Sumpfgebiete

Die besten Wasserbauingenieure im Land haben die Regierung bei der Erstellung neuer Damm- und Pumpsysteme beraten, Topwissenschaftler haben noch verlässlichere Computermodelle für die Vorhersage von Wirbelstürmen entwickelt. Dennoch, New Orleans ist weiterhin verwundbar. Die Sumpfgebiete südlich der Stadt, die Schutz vor Wirbelstürmen geboten haben, versinken langsam im Golf von Mexiko, da der massiv eingedämmte Mississippi-Fluss die Deltaregion nicht mehr länger aufschüttet. Dazu kommen Erderwärmung und steigender Meeresspiegel. Für viele Amerikaner aber existiert die globale Erwärmung nach wie vor nicht. Deshalb ist es auch schwierig, die verschwindenden Sumpfgebiete in der öffentlichen Wahrnehmung als Problem bewusst zu machen.

„Silicon on the Bayou“

In einer Umfrage ist New Orleans jüngst nach Austin, Texas, als Nummer zwei unter jenen amerikanischen urbanen Zentren gereiht worden, die bei jungen Leuten besonders gut ankommen. New Orleans ist keine Megacity, die am Verkehr erstickt. Sie bietet hohe Lebensqualität mit einer blühenden, ein wenig schrägen lokalen Kulturszene und einigen der besten Restaurants der USA.

New Orleans ist auch relativ billig. Der Wiederaufbau nach „Katrina“ hat sich als Motor für die Stadtentwicklung erwiesen. Manche sprechen sogar von New Orleans als nächster großer „Tech-City“ wie Austin oder San Francisco, quasi „Silicon on the Bayou“. Universitäten wie Tulane ziehen Studenten aus dem ganzen Land an, die am Wiederaufbau der Stadt mitarbeiten wollten.

Investoren stecken Millionen in neue Hi-Tech Firmen. Dadurch entsteht eine Wissensökonomie in einer Stadt, die bisher vor allem vom Tourismus und vom Handelsgeschäft des Hafens gelebt hat. Die öffentliche Hand baut einen neuen Zwei-Milliarden-Dollar-Komplex von Spitälern, der New Orleans zu einem medizinischen Zentrum des Südens machen soll. Die „Crescent City“, die als Partystadt („big easy“) bekannt ist, ist also nicht in den Flutwassern von „Katrina“ versunken, sondern an den Herausforderungen einer Jahrhundertkatastrophe gewachsen.

Günter Bischof (*1953) lebt seit 25Jahren in New Orleans, ist dort Direktor des Center Austria und Professor für Geschichte an der University of New Orleans.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.