Opposition neu? Regierung neu wäre besser!

Replik. Warum SPÖ-Sprecher Stefan Hirsch mit seiner Kritik an der Opposition (Gastkommentar 26.12.) nur von eigenen Schwächen ablenkt.

Während sich die Mehrheit der Bürger schon wenige Tage nach dem Amtsantritt eine neue Regierung wünscht, träumt SPÖ-Kommunikationschef Stefan Hirsch in der „Presse“ von einer neuen Opposition. Dann nämlich wäre, glaubt man seinen Ausführungen, die Welt gerettet, zumindest aber die rot-schwarze Regierung.

Fassen wir kurz zusammen: Hirsch findet die Opposition in Österreich so schlimm, dass er die Wikipedia-Definition des Wortes erweitern möchte, weil sie zwar für 192 Staaten der Erde – wie beispielsweise den Irak, die Ukraine oder den Südsudan – ausreicht, nicht aber für Österreich, wo die Regierungsgegner so richtig destruktiv und böse sind. Grund dafür ist das – in allen anderen Staaten völlig unübliche – Kritisieren des Regierungsprogramms ohne ernsthafte inhaltliche Reflexion. Dies wiederum treibt die Demokratie an sich in den Abgrund, weil die Bürger die Politik als Ganzes immer mehr verachten.

Hirschens Ex-Genosse Rudi Fußi hat den Kommentar auf seiner Webseite bereits ordentlich zerzaust. Die zum Teil brutale Polemik mag der Verbitterung des enttäuschten Sozialdemokraten geschuldet sein. Doch auch ohne diesen Hintergrund offenbaren die Ausführungen des roten Kommunikationschefs entweder besondere Naivität oder übelste Perfidie. Und nachdem Hirsch den Artikel wohl eher in seiner Arbeitszeit geschrieben haben wird, ist es nicht vermessen, diese Ausführungen der SPÖ als Ganzes, deren Chefsprecher Stefan Hirsch nun einmal ist, zuzuordnen. Ob die ÖVP glücklich darüber ist, dass er sich auch gleich zum Regierungssprecher oder zumindest zu deren Pflichtverteidiger gemacht hat, möge der Koalitionsrat besprechen.

Zur Kritik im Einzelnen: Es liegt wohl in der Natur der Demokratie, dass die Opposition nicht in lauten Jubel ausbricht, wenn die Regierung einen lauen Aufguss des vergangenen Regierungsprogrammes als entfesselte Reformpartnerschaft präsentiert. Abgesehen davon stimmt es nicht, dass die Opposition generell destruktiv agieren würde. In der vergangenen Legislaturperiode wurde eine ganze Reihe von Gesetzen auch von der Opposition mitbeschlossen, oft sogar einstimmig.

Vorschläge abgewürgt

Merkwürdigerweise hört man das im Parlament auch oft von der Regierungsbank, selten allerdings anerkennend, sondern eher dann, wenn gerade aus gegebenem Anlass Kritik geübt wird, der Rot-Schwarz mit dem Hinweis auf anderweitige inhaltliche Übereinstimmung den Wind aus den Segeln nehmen will. Hinzu kommt auf parlamentarischer Ebene der Umstand, dass die Opposition eine Menge an Gesetzesinitiativen und Reformvorschlägen eingebracht hat, die allesamt von der Koalition abgewürgt worden sind. Oft „verschimmeln“ diese Anträge jahrelang in Ausschüssen und werden nicht behandelt, weil die Regierungsparteien sie nicht umsetzen wollen, sich aber auch nicht erlauben können, öffentlich dagegen zu stimmen. Wenn man der Opposition keine nennenswerte Mitsprache einräumt, „degradiert“ man übrigens auch „die Bedeutung des Parlaments als zentrale Einrichtung des demokratischen Systems“ (Zitat Hirsch).

Nun mag man einwenden, die Bevölkerung nehme von den vielen einstimmig beschlossenen Gesetzen kaum Notiz, während in den medial groß behandelten Themen grundsätzlich Dissens zwischen Regierung und Opposition herrsche. Ein Blick in die Zeitungen der letzten Wochen und Monate belegt jedoch weniger einen Streit Regierung gegen Opposition (deren inhaltlichen Standpunkten medial ohnehin meist zu wenig Beachtung geschenkt wird), sondern permanente Differenzen zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Diese zogen sich selbst bis in die finale Phase der Koalitionsverhandlungen.

Was erlauben sie sich?

Permanent war von unausgegorenen Vorschlägen zu lesen, die nur deshalb die mediale Öffentlichkeit erreichen konnten, weil eine der beiden Parteien sie bewusst in einer Zeitung platziert hatte – entweder um die eine oder andere Maßnahme gegen den Widerstand der anderen Partei durchzudrücken, oder um sie durch die öffentliche Kritik zu verhindern. Dass dann die Opposition schuld sein soll, wenn sie sich erlaubt, das permanente Medienrauschen über den Stand der Regierungsverhandlungen wenigstens zu kommentieren, mutet wirklich seltsam an. Hirsch spricht gar von einem „Verriss basierend auf Spekulationen, Gerüchten und Ondits, die in den Medien herumgereicht worden waren“. Wie viele dieser Geschichten er wohl selbst den Medien gereicht hat?

Abgesehen von der generellen Unhaltbarkeit der Vorwürfe gegen die Opposition, sei Stefan Hirsch auch noch ein Wort zum Handwerk gesagt, das er als einer der wichtigsten Parteistrategen hier anwendet: Werfen Sie doch einen Blick auf das letzte Wahlergebnis!

Im Parlament sitzen vier Oppositionsparteien, die allesamt gewonnen haben. Zwei (FPÖ und Grüne) haben ihren Stimmanteil erhöht, zwei (Team Stronach und Neos) sind neu in das Parlament gewählt worden. Ihnen gegenüber sitzen die zwei Verlierer, SPÖ und ÖVP. Ist vor diesem Hintergrund Regierung neu nicht vielleicht doch der vernünftigere Ansatz als Opposition neu?

Ein Armutszeugnis

Und ist es nicht überhaupt ein Armutszeugnis, die eigene Unbeliebtheit beim Bürger der Opposition in die Schuhe zu schieben? Müssen wir das gar als frühes Eingeständnis dessen werten, dass in den nächsten fünf Jahren von dieser Regierung nichts zu erwarten ist, was ihre Popularität auch nur ansatzweise aufwerten könnte, und ihr daher nur ein Stillhalten der Opposition helfen kann?

Da so viel Naivität in den obersten Führungszirkeln der Kanzlerpartei nicht vorstellbar ist, muss man hinter dem Kommentar wohl eher die böse Absicht der SPÖ sehen, die Opposition auch in den nächsten Jahren politisch kaltzustellen. Immerhin ist nach wie vor das Versprechen offen, die Einsetzung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zum Minderheitenrecht zu machen – ein lästiges Relikt gekaufter Zustimmung der Grünen zu Gesetzen, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen. Wer vorhat, dieses Versprechen weiterhin zu brechen, der muss natürlich auch erklären, warum. Was böte sich da besser an, als die Opposition als einen Haufen destruktiver Schreihälse hinzustellen, dem man ein derart verantwortungsvolles Instrument nicht in die Hand geben darf?

Wenn die Opposition keine Rechte bekommt, dann gilt das erst recht für das Volk. Auch die nächsten fünf Jahre werden sich Rot und Schwarz nicht dazu durchringen können, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger am demokratischen Prozess zu verbessern. Die direkte Demokratie wird weiter auf die lange Bank geschoben werden. Denn auch diese Idee kommt ja von der destruktiven Opposition. Es reicht, wenn das Volk in fünf Jahren wählen darf. Herr Hirsch wird sich wundern, wie destruktiv das Votum für seine SPÖ ausfallen wird!

DER AUTOR

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Herbert Kickl
(*1968 in Villach) ist seit 2005 Generalsekretär der FPÖ. Seit dem Jahr 2006 sitzt er außerdem für die Partei im Nationalrat. Kickl gilt als Mastermind hinter den auffälligen Wahlkämpfen der Freiheitlichen und ist lange Zeit auch als Redenschreiber für den Erfolg Jörg Haiders mitverantwortlich gewesen. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2013)

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