Keine Auswege aus der Schuldenkrise, nur pure Ideologie

Christian Felbers Lösungsvorschläge für das Staatsschuldenproblem sind ein Irrweg.

Es steht also fest: Marx' Kapitalismus ist ein unmögliches geistiges Konstrukt, ein Wahngebilde. Nie wieder dürfen wir es zulassen, dass solche Ideologien uns in ihren Bann ziehen.“ Karl Popper sprach diese Worte in einem seiner letzten öffentlichen Vorträge im März 1992. Die Rede trug den Titel: „Gedanken über den Kollaps des Kommunismus: Ein Versuch, die Vergangenheit zu verstehen, um die Zukunft zu gestalten“. Wenn nun ein Pamphlet wie jenes des Herrn Christian Felber in der „Presse“ (22.Jän.) abgedruckt wird, besteht die Pflicht, sich dieser Mahnung des Vordenkers einer offenen Gesellschaft anzunehmen.

Popper hat Karl Marx durch Aufzeigen der inneren Widersprüche seiner Theorie unzweifelhaft widerlegt. Felber macht sich nicht einmal die Mühe, ein systematisches Gedankengebäude zu errichten. Er leitet aus der willkürlichen Auflistung von Statistiken und Annahmen willkürlich Schlussfolgerungen ab. Nur sind die wesentlichsten seiner Annahmen falsch.

Felber behauptet, eine „gegenwärtige Exponentialität des Vermögenswachstums“ zu beobachten. Grundlage dieser Behauptung sei eine Studie der OeNB. In dieser wurde allerdings nur eine Zeitpunktbetrachtung vorgenommen. Verlässliche Zahlen gibt es hingegen über das Finanzvermögen österreichischer Privathaushalte. In den 1980er-Jahren lag das (durchschnittliche) Jahreswachstum des Nettovermögens bei 11,1Prozent, in den 1990er-Jahren bei 7,8 und in den 2000er-Jahren bei 5,3Prozent.

Falsche Grundannahmen

Exponentielles Wachstum ist bekanntlich durch steigende Wachstumsraten gekennzeichnet. Das Vermögenswachstum zeigt genau eine gegenteilige Entwicklung: sinkende Wachstumsraten. Felbers Grundannahme ist also (auf Basis der einzig verlässlichen Zahlen) grundlegend falsch.

Grob vereinfachend und damit irreführend ist auch die zweite Annahme, auf der seine Argumentation ruht: „Dass volkswirtschaftlich die Schulden der einen die Guthaben der anderen sind, steht mathematisch außer Streit.“ In einer globalen Betrachtung stimmt das. Nur sollte der richtige Wirkungszusammenhang klargestellt werden: Nur wenn es Vermögen gibt, können sich andere verschulden. Felber suggeriert die umgekehrte Wirkung: Nur weil es Schulden gibt, würde es Vermögen der anderen geben. Das ist pure Ideologie.

Felbers paradoxes Modell

Viel schwerwiegender ist die Schlussfolgerung, die er daraus ableitet: „Ein Abbau der Schulden ist nur durch Vermögensreduktion möglich.“ Felbers „Lösungsvorschlag“, die Vermögenswerte zur Schuldentilgung zu besteuern, führt zu folgendem Ergebnis: Diese Vermögenswerte werden reduziert, ebenso die Staatsschuld, aber durch die Rückzahlung der Staatsschuld bleibt die Vermögensposition der ursprünglichen Gläubiger unberührt. Diese erhalten für ihre ursprüngliche Forderung eben den Gegenwert in bar.

Felbers Vorschlag trifft also genau jene, die nicht als (in seiner Sicht) „böse“ Gläubiger dem Staat Geld geborgt haben, sondern jene, die in (aus seiner Sicht) „gute“ reale Vermögenswerte investiert haben. Da ein Großteil der österreichischen Staatsschulden von ausländischen Gläubigern gehalten wird, würde Felbers Modell also zum überwiegenden Teil den Transfer von inländischem Realvermögen ins Ausland zur Folge haben bzw. für inländische Gläubiger einen bilanziellen Aktivtausch bedeuten, aber eben nur für jene „Finanzspekulanten“, die Felber eigentlich treffen will. Einfach nur paradox: kein Ausweg aus dem Staatsschuldenproblem, sondern einfach nur ein Irrweg.

Mag. rer. soc. oec. Marcus Fichtinger ist Wirtschaftsforscher in Wien. Seine Schwerpunkte: Innovation, Kapitaltheorie, Steuern, Austrian Economics.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2014)

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