Es gibt keine gute Lösung für Bosnien und Herzegowina

Wie viel Geld will EU noch in zum Scheitern verurteilten Staat stecken?

Wären sie besser in ihrem Job gewesen, wären keine Feuer ausgebrochen“, meinte der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, diese Woche im Interview mit der kroatischen Tageszeitung „Jutarnji list“. Ein durchaus gutes Argument. Hätte Inzko seinen Job besser gemacht, wären sie nicht so ausgerastet. Oder aber Inzko konnte seinen Job gar nicht so gut machen, weil die Situation bereits völlig verfahren war, ehe er 2009 diese Funktion übernahm.

Ja, es ließ sich einfach nichts Positives machen, weil die EU Bosnien und Herzegowina wie die letzte verbliebene Trophäe ihrer Politik guter Vorsätze aus den 1990ern sehen möchte. Alle Fehltritte aber, die wir durch die Geschichte mitschleppen, suchen uns später einmal in Form kleinerer oder größerer Revolutionen heim.

Seit fast 20 Jahren pumpt die internationale Gemeinschaft, vor allem aber die EU, viel Geld nach Bosnien und Herzegowina, um den Traum vom Einheitsstaat am Leben zu erhalten. Die Wahl, die sich jetzt stellt, ist formal-logisch betrachtet sehr einfach: Will man weiter ein „Failed state“-Projekt mit Geldspritzen vor dem Zusammenbruch bewahren? Oder ist man bereit, die jüngsten Ereignisse als Weckruf zu verstehen und nach einer anderen Lösung zu suchen?

Zwei gescheiterte Versuche

Das Problem dabei ist: Es gibt leider keine gute Lösung mehr – und das nicht erst seit der Vorwoche oder seit Dayton 1995, sondern seit 1878. Es ist schlicht unmöglich, die Tatsache zu ignorieren, dass die europäische Diplomatie schon seit 120 Jahren an einer Lösung für Bosnien und Herzegowina bastelt. Und jede Variante hat sich bisher als noch schlimmer als die andere entpuppt.

Ein größerer multinationaler Staat, in den Bosnien und Herzegowina als kleinere multinationale Einheit mit einigen Staats-Prärogativen integriert ist, wäre die beste Lösung. Und zwar für alle drei dortigen Völker. Das gab es schon zwei Mal in der neueren Geschichte – erst unter den Habsburgern, dann unter Tito. Beide Male ist es schlecht ausgegangen.

Historische Wunde

Das Argument aber, beide Male sei die versuchte Lösung vom serbischen Nationalismus gesprengt worden, trifft nur bedingt zu. Der Anspruch Serbiens auf die Überreste des Osmanischen Reichs war genauso legitim wie jener Österreich-Ungarns. Das zweite Mal war das Problem Slobodan Milošević mit seiner destruktiven Kompetenz. Aber auch er wühlte nur in einer offenen historischen Wunde herum. Er hat sie nicht verursacht, er hat sie nur vertieft.

Wie kann ein Staat überleben, wenn er von fast 60Prozent der eigenen Bevölkerung mehr oder minder offen abgelehnt wird? Ganz einfach, indem er von der EU weiter finanziert wird.

Auch dieser Modus ist nicht neu. Das kommunistische Jugoslawien hat das durchgezogen, solange den Kommunisten Geld und Ideologie nicht ausgegangen sind. Jahrelang haben die Teilrepubliken Kroatien, Serbien und Slowenien pflichtbewusst Bosnien als Titos Lieblingskind geschaukelt – aber das Kind wurde auch in seinen besten Tagen nicht wirtschaftlich selbstständig. Wieso sollte das jetzt gelingen? Mit welchen Ressourcen?

Wenn die EU bereit ist, weiterhin für den Erhalt von Bosnien und Herzegowina aufzukommen, dann muss sie auch bereit sein, mehr zu bezahlen, als die dortige politische Elite bereits jetzt in die eigenen Taschen umleitet. Oder die EU kann versuchen, sich an einen Tisch mit Belgrad, Zagreb und dem muslimischen Sarajewo zu setzen und noch einmal von vorn beginnen, eine tragfähige Lösung auszuhandeln.

Vesna Knezevic (geboren 1956 in Prishtina) studierte Politikwissenschaften in Belgrad und Wien. Arbeitet als Korrespondentin für
serbische Medien in Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2014)

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