Ungarn wird für seinen Grund und Boden kämpfen

Mit einem neuen Gesetz sagt die Orbán-Regierung dem Chaos den Kampf an.

In österreichischen Medien ist neuerdings von Landraub durch die Orbán-Regierung die Rede. Als hätten nicht manche Bauern aus Österreich unrechtmäßig ungarisches Land durch bewusste Umgehung ungarischer Gesetze an sich gerissen. Man schreibt von Enteignung, obwohl viele der von den neuen Gesetzen betroffenen österreichischen Landwirte gar kein Eigentum in Ungarn haben. Mehrere von ihnen haben Nießbrauchverträge abgeschlossen und dadurch versucht, die ungarischen Gesetze zu umgehen.

Nießbrauchverträge schließt man üblicherweise mit engsten Verwandten, nicht mit wildfremden Menschen, wie das die Praxis vieler österreichischer Landwirte in Ungarn war. In diesen Fällen kann jedoch auch ein Nießbrauchvertrag tatsächlich als sogenannter Taschenvertrag funktionieren. Wenn nämlich ein Vertrag, egal, ob damit Besitz oder eine besitzähnliche Situation (s. Nießbrauch) begründet wird, auf einer bewussten Umgehung von gültigen Gesetzen basiert, ist er schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit ungültig.

In den Medien wird der Eindruck erweckt, als hätte Ungarn Österreich und österreichischen Bauern den Kampf erklärt. Das ist völlig falsch. Das ungarische Gesetz diskriminiert nicht. Alle, egal welcher Nationalität, die unrechtmäßige Verträge abgeschlossen haben, sind betroffen.

Klare Verhältnisse schaffen

Die zuletzt in Ungarn verabschiedeten Gesetze verfolgen ein Ziel: eindeutige Verhältnisse für alle zu schaffen und die Gesetzesverletzungen zurückdrängen. Egal, ob Ungarn, Österreicher oder Angehörige anderer Nationen: Eine strafrechtliche Verfolgung zu befürchten hat nur, wer gegen die Gesetze verstoßen hat. In Ungarn wird also keinesfalls kriminalisiert.

Wir sind der Ansicht, dass das ungarische Gesetz einer EU-Prüfung standhalten wird. Die Regelung wurde ja mit Rücksicht auf die einschlägigen Gesetze der „alten“ Mitgliedstaaten erarbeitet, ebenso hat man die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Betracht gezogen. Die Neuregelung stellt tatsächlich strenge Bedingungen für den Erwerb von Ackerland durch Ausländer, wie es in den meisten Ländern üblich ist. Wir sind bereit, unsere Position auch in Brüssel zu vertreten. Ungarn ist imstande, seinen Boden zu schützen.

Weshalb die Aufregung?

Die Medien fordern nun von uns, dass wir gegen diejenigen, die Gesetze ignoriert haben, nicht vorgehen sollten. Das ist völlig absurd. Wir verstehen die Aufregung nicht. In Österreich gehen die Gesetzeshüter in jedem Bundesland gegen Leute vor, die unrechtmäßig Grundbesitz erlangt haben.

In manchen Grenzbundesländern (Tirol, Vorarlberg) entstanden reihenweise Umgehungs- und Scheingeschäfte (Miete, Pacht oder Testamente). All diese Umgehungsgeschäfte wurden von der Grundverkehrskommission für nichtig erklärt und die Nichtigkeitserklärungen vom Verfassungsgerichtshof und auch vom Obersten Gerichtshof oder vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt. Die Begründung war meist die Verhinderung der Überfremdung. Die Grundverkehrskommission hat sogar die Befugnis, neben der Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages die Löschung im Grundbuch und die Rückabwicklung des Vertrages zu veranlassen.

In Österreich sind die Gesetze so formuliert, dass kein spekulativer Landerwerb möglich ist. Das war gewissermaßen das Vorbild für die ungarische Regelung. In Ungarn hat die Politik über Jahre hinweg versäumt, gegen Spekulationen dieser Art vorzugehen. Die Orbán-Regierung aber hat den Mut, mit dem im agrarischen Bereich herrschenden Chaos aufzuräumen.

Vince Szalay-Bobrovniczky (* 1972 in Budapest) ist seit Ende 2010 Botschafter der Republik Ungarn in Österreich.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.