Wer ist da ewiggestrig?

Krampfhaft eine Verbindung zwischen Burschenschaften und dem Nationalsozialismus herstellen zu wollen ist historischer Nonsens.

Die Ausführungen von Raimund Fastenbauer zu den Burschenschaften in seinem Gastkommentar („Die Presse“, 7.2). können nicht widerspruchslos hingenommen werden. Fastenbauer versucht krampfhaft, eine direkte Verbindung zwischen dem Burschenschaftsgedanken und dem Nationalsozialismus herzustellen. Das ist historischer Nonsens.

1.Die Gründung der Burschenschaft nach den napoleonischen Kriegen erfolgte aufgrund der Entstehung eines neuen deutschen Patriotismus als Reaktion auf die Kleinstaaterei. Anliegen der Burschenschaft waren unter anderem die Abschaffung jeder Unterjochung, der Kleinstaaterei, Befreiung vom Despotenzwang, Durchsetzung demokratischer Reformen.

2.Die Burschenschaft hat bis Ende des 19.Jahrhunderts auch Juden eine geistige Heimat gegeben. Die gesellschaftspolitische Entwicklung gegen Ende des 19.Jahrhunderts brachte dann eine Kehrtwende. Das ging so weit, dass sich jüdische Verbindungen (nur für Juden!) nach Vorbild der Burschenschaften etablierten, mit demselben Brauchtum und derselben politischen Ausrichtung, nämlich auch deutschnational und liberal. Diese waren auch als Fechter – Schlägermensur, Säbelduell – geachtet und wegen ihres Mutes gefürchtet. Auch Pistolenduelle wurden ausgetragen.

Brauchen keine Chaoten

3.Die Freiheit des Geistes und der Menschen – dokumentiert in den Ergebnissen der Versammlung in der Paulskirche –, die Bemühungen um Grundrechte wie Unverletzlichkeit des Eigentums, Aufhebung der Todesstrafe, Freiheit von Wissenschaft und Lehre, Versammlungs- und Redefreiheit, Gerichtsbarkeit für alle sind als ein Grundstein der modernen Gesetzgebung zu betrachten und auf dem Boden der damaligen Burschenschaftsbewegung gewachsen. Warum wird dies von Linken und Grünen schlecht gemacht, ignoriert oder völlig bestritten?

4.Der Nationalsozialismus hat mit dem Sozialismus mehr gemein als mit den Burschenschaften! Die verbrecherischen Gräueltaten werden ja wohl von allen abgelehnt! Dass es einige Männer gab, die es für notwendig hielten, der NSdAP beizutreten, ist unbestritten. Genauso klar ist aber, dass es keine Gesellschaftsschicht gab, auf die das nicht auch zugetroffen hätte.

5.Die Behauptung, dass Budin und Küssel Burschenschafter seien, ist schlicht unwahr.

6.Die Geschichte der Burschenschaft und der Studentenverbindungen verläuft parallel zur politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert. Heute sind Burschenschaften vornehmlich der Tradition studentischer Bräuche und der geistigen und körperlichen Erziehung ihrer Mitglieder verpflichtet.

Was sollen also diese Behauptungen? Dienen sie nur der Selbstbefriedigung einiger Leute, um auf sich aufmerksam zu machen? Oder steckt eine Taktik mit nicht ausgesprochenen Zielen dahinter?

Jede Zeit braucht einen Reibebaum. Aber wir lassen uns nicht zu Sündenböcken stempeln. Wir lehnen Totalitarismus, Faschismus, Diktaturen in jeder Form ab. Was unsere Zeit aber überhaupt nicht braucht: Chaoten, die Hass predigen – angestachelt von Menschen, die nur zurückblicken und blind für Gegenwart und Zukunft sind. Wer sind da die Ewiggestrigen?

Dipl.-Ing. Rainer Wolbank (*1944), Mitglied der Akademischen Burschenschaft Arminia in Graz. Selbstständiger Unternehmer i. R.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2014)

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