Pandämonium Österreich "They ever come back"

Karikatur: Peter Kufner www.peterkufner.com
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Anderswo mag es auch schräge Typen geben, aber wir in Österreich haben eben eine weltweit einzigartige Konzentration.

Schon vor Jahren habe ich anlässlich der Affäre Kampl plädiert, verhaltensoriginelle Politiker nicht mit Rücktrittsforderungen zu behelligen: „Der Bundesrat könnte zu einer nützlichen Einrichtung werden, als Ausstellungshalle für Leute mit chronisch deviantem Verhalten.“ Kampl, FPBZÖ-Bürgermeister zu Gurk, designierter Bundesratschef, hat seine Wahl vergurkt, indem er konstatierte, in Österreich habe es nach 1945 „eine brutale Naziverfolgung“ gegeben und „Wehrmachtsdeserteure“ wären „zum Teil Kameradenmörder“.

Kampl musste seine Ämter niederlegen – und der Fall Mölzer zeigt: ohne nachhaltige Wirkung. Die FPÖ ist katharsisresistent.

Wenn nun Mölzer als Spitzenkandidat für die EU-Wahlen abgesägt wurde, sollte man der FPÖ bei ihrem Versuch, die Wimmerln im Gesicht zu überschminken, nicht helfen. Mölzer müsste bleiben, er ist Herold der wahren Gesinnungslage der Freiheitlichen. Er ähnelt dem ungezogenen Kind, das am Pfarrabend keck ausplaudert, dass die sittsamen Eltern im trauten Heim SM-Spielen frönen und am Nachtkastl nicht die Bibel, sondern „50 Shades of Gray“ liegt.

Deutschprobleme der FPÖ

Ins peinliche Schweigen ertönt der Ordnungsruf des Pfarrers: „Du Lauser, du!“ Worauf die Eltern den vorlauten Bengel verräumen. Im Schlafzimmer aber bleibt alles so, wie es ist. Jeder weiß es, aber die Form ist gewahrt.

In der FPÖ läuft es ähnlich. H.-C. Straches Begründung belegt es: „Die Summe der Aussagen“ mache Mölzer untragbar. Zeitliche Abfolge und Anzahl der Sager bestimmen die Unerträglichkeit.

Adagio ist geboten, nicht Prestissimo, wenn man mit Ressentiments musiziert. Zusätzlich gilt: Vergreif dich nie an Sportlern oder gar am Vermögen älterer Damen, die von dir besachwaltet werden. Mölzers Äußerungen zur EU sind unverständlich, wie manche Sätze Hegels, und unergründlich wie das Lächeln Mona Lisas. Das qualifiziert ihn zum deutschnationalen Intellektuellen auf ungeahntem Niveau. Man ahnte es seit Mölzers Versuch als durchgeistigter Romancier.

Nur Mitglieder der linken Jagdgesellschaft behaupten, die Deutschnationalen definierten sich über genau das, was sie nicht beherrschen: die deutsche Sprache. Wer wagt es, den Slogan zur EU-Wahl als Beweis zu nehmen: „Wir verstehen Eure Wut – zu viel EU tut niemand gut.“ Das Wort „niemandem“ werden nur Menschen mit Migrationshintergrund verwenden. Deutschnational ist dort, wo dem Infinitiv sein Dativ der Akkusativ ist.

Basierend auf Erkenntnissen der letzten Jahre muss das Konzept „Bundesrat als Ausstellungshalle“ aber erweitert werden: das ganze Land als Freilichtmuseum für verhaltensoriginelle Politiker. Pandämonium Österreich! Erlassen wir ein gesetzliches Rücktrittsverbot für Ewiggestrige (die „Ewigheutige“ heißen müssten)! Schaffen wir Refugien für Korruptionisten, anstatt sie vom Staatsanwalt verfolgen zu lassen! Ermutigen wir alle entmutigten Politiker (sowie Banker, Wirtschaftsbosse und dergleichen), nicht einfach alles hinzuschmeißen. Nein, sie sollen in Amt und Unwürden bleiben. Anderswo mag es auch schräge Typen geben, aber in Österreich haben wir eine weltweit einzigartige Konzentration. Ein Standortvorteil, den man nicht verspielen darf.

Warum ließ man Frau Rudas in Richtung universitärer Studien ziehen? Ein Erfolg dieser Fortbildung könnte alle hiesigen Standards gefährden. Die Löwelstraße hat in meinem Konzept eine wichtige Rolle: die gelben Hochwasserstiefel Klimas neben den legendären Rechberger-Zigarren, der Ederer-Tausender neben der demontierten Dissidentin und somit Ex-Abgeordneten Ablinger.

Arbeiterführer Eugen Freund

Ein Gespenst namens Kreisky irrt nächtens durch die unheimlichen Gemäuer. Das „Loch Kreisky“ verspricht zahlreiche Besuche läuterungsbereiter Sozialdemokraten, die vor der EU-Wahl in den Kellergewölben schnell dem Neoliberalismus abschwören. Wallfahrten der Basisgenossen würden unweigerlich folgen. Und der Arbeiterführer Eugen Freund fände auch ein Platzerl, wo niemand ihn sieht.

In Kärnten – vorzugsweise im Bärental – sollte man alle jene Bären ausstellen, die uns von Jörg Haider aufgebunden worden sind, dazu Mitglieder der Schüssel-Regierungen. Wer erinnert sich nicht gern an den Überlebenskünstler Herbert Haupt (14 Autounfälle, ein Flugzeugabsturz, endlose Schachtelsätze), den Kämpfer für die Gleichstellung der Männer.

Ein paar Meter weiter der unerschrockene Agentenjäger Ernst Strasser, vermutlich frühes Opfer einer NSA-Intrige. Auch Michael Krüger, 30-Tage-Justizminister, könnte bis heute „Frauen flachlegen“, sein Rücktritt war überflüssig. Italiens Tourismus lebt nicht zuletzt von Papagalli. Dass der ehemalige Vizekanzler Gorbach als Präsident der „Schneiakademie“ das Dasein fristet, straft seine eigenen Worte Lügen: „The world in Vorarlberg is too small...“

Bitte nicht anfüttern!

Sie alle wurden zu früh aus ihren Ämtern gerissen. Man sollte diese Figuren für immer in ihren Ämtern belassen. Erstens würde man den Unterschied zur derzeitigen Regierung kaum bemerken, und zweitens geht nichts über die Beobachtung in freier Wildbahn.

Unsere Sammlung (bitte nicht anfüttern!) wird vollständig durch Landeskaiser, Gemeindekaiser, Betriebskaiser sowie Parlamentsfraktionen, deren Mitglieder im Selbstversuch erforschen, wie vielen Parteien man in einer Legislaturperiode angehören kann, ohne dass jemand es merkt. Dazu das Naturreservat „Unschuldsvermutungen“, skurrile Milliardäre, bankrotte Kunstsammler und waldtümelnde Neos, das zur Partei gewordene Restless-Legs-Syndrom.

Draufgabe: Das Burgtheater als Ausbildungsstätte für den kaufmännischen Nachwuchs, in lichte Höhen buchhalterischer Wahrheit gehievt von einem Holding-Chef, der von nichts wusste. Immerhin, der Mann hat Eier und mein Konzept kapiert. Aufopferungsbereit verharrt er unerschüttert auf seinem Posten.

Das wichtigste Asset ist die amtierende Bundesregierung. Die Zahlenmystik rund um Hypo Alpe (alles von vier bis 30 Milliarden) sichert die weltweite Aufmerksamkeit der Mathematik-Community.

Hack'n macht der Ostermayer

Der Landwirtschaftsminister mit Hang zu sakralen Gelübden, gepaart mit Verständnis für Schwule, muss gehalten werden, bevor ihn der neue Wind im Vatikan genau dorthin weht. Wir sind zudem das einzige Land, das seinen Bundeskanzler für touristische Zwecke dienstfrei stellen kann. Die Hack'n macht nämlich der Ostermayer.

Weg mit dem Wochenendtourismus, hin zu Langzeitaufenthalten! Alles Museum! Lassen wir keine Rücktritte mehr zu. Vergeben wir alle Ämter mehrfach und auf Lebenszeit. Man kann nie genug Kanzler haben. Denn machen wir uns nichts vor: Österreichs Grundgesetz, das von keiner Verfassungsmehrheit ausgehebelt werden kann, lautet: „They ever come back.“ Egal, unter welchem Namen und mit welchem Parteibuch.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Michael Amon
(geboren 1954 in Wien) lebt als freier Autor in Gmunden und Wien. Der Romancier und Essayist ist außerdem geschäftsführender Gesellschafter einer kleinen Steuerberatungskanzlei. Soeben erschien im Wiener Klever Verlag der „Panikroman“, Psychogramm eines Börsenhändlers wie auch der Finanzmärkte – eine literarische Annäherung an beider Panikattacken. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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