Aufteilung des Endlichen: Der Kampf um Ethik, Stammzellen, Patente

Gene sind keine patentierbare Erfindung, für die Spitäler womöglich auch noch zahlen müssen.

Der Autor ist Biologe an der Universität Wien. Angesichts fast täglicher Meldungen zu Gesundheits- und Gewinnversprechungen im Biotechbereich als auch ethischer Probleme beim Klonen, bei der Patentierung von Genen und bei Analysemöglichkeiten menschlicher Dispositionen steigen nicht nur in Europa unspezifische Ängste von Bürgern und Politikern.

Nur etwa 30.000 Gene, etwa dreimal so viel wie niedrige Tiere, besitzt der Mensch. Diese Gene müssen aber dann oftmals äußerst unterschiedliche Funktionen steuern. Das macht die Patentierung menschlicher Gene so problematisch: Die Erteilung eines Stoffpatents für ein Gen würde Entdecker anderer nutzbringender Anwendungen dieses Gens zwingen, dem Besitzer des Stoffpatents Lizenzgebühren für die zusätzliche Nutzung "seines Gens" zu zahlen. The winner takes it all.

So sehr auch ein klarer Patentschutz für Forschung und Entwicklung nötig ist, stellen Gene oder Zellen nun einmal keine patentierbare Erfindung, sondern nur die Entdeckung natürlich entstandener Ressourcen der Natur dar. Dieser Kampf um die Patentierung und Verwertung der nunmehr durchaus endlichen Anzahl von Genen oder Zelltypen treibt auch rasant die Erforschung und Nutzung der vielleicht interessantesten Zelle des Menschen voran, der Stammzelle, mit ihrer Fähigkeit zur weiteren Reifung in unterschiedliche Zelltypen verschiedener Organe: Schon jetzt zeigen erste Versuche, etwa bei erkrankten Herzmuskeln oder in Hirngeweben die korrekte Übernahme der gewünschten Funktionen und damit zukünftige medizinische Chancen.

Für manche Anwendungen könnte es aber nicht genügen, Stammzellen aus Organen adulter Menschen, der Nabelschnur oder etablierte Zellinien zu verwenden, man benötigt Stammzellen aus überzähligem, embryonalen Geweben, etwa abgetriebener Föten. Ein ernstzunehmendes ethisches Problem welches weltweit zur gesellschaftlichen Positionierung oder zu gesetzlichen Regelungen zwingt (Mittwoch debattiert der Deutsche Bundestag).

Fast weltweit ist mittlerweile das Klonen beim Menschen zu reproduktiven Zwecken geächtet. In einigen Staaten wie in Österreich ist die Nutzung embryonaler Zellen überhaupt nur zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft erlaubt. In Deutschland wird diskutiert, ob nur bereits etablierte Stammzell-Linien nach Überprüfung ethisch verantwortbarer Herstellungskriterien aus Ländern in denen das nicht verboten ist, importiert und genutzt werden dürften.

Vor dieser Ethikdebatte tobt im Hintergrund ein erbitterter Kampf um die Nutzung und Patentierung der Stammzell-Linien. Nur wer hier rasch genug seine Claims abstecken kann, wird die Biomedizin der Zukunft mitgestalten und aus ihr Profit schlagen können: Im Rennen weit voran liegt hier die US-Firma Geron, welche ein Patent hält, mit dem die Herstellung von Stammzellen breit abgedeckt ist.

Und schon beklagen Forscher, daß nach den internationalen Bedenken gegenüber einer Produktion von Stammzellen durch eine tolerierte, gezielte Steigerung verfügbarer Embryos zu diesem Zweck zu wenige nutzbare Stammzell-Linien vorhanden sind. Und für solche müßten Forscher - ja selbst Spitäler - Lizenzgebühren zahlen.

Nur eine international klar etablierte, freie Verfügbarkeit ausreichender Stammzell-Linien und eine deutliche Erweiterung der Patentierungsrichtlinie hinsichtlich der nötigen Präzisierung genau definierter Funktionen, kann einen verbesserten Schutz von Embryonen und der Akzeptanz biotechnischer Anwendungen wie Stammzellen ermöglichen.

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