Der Typus Polzer

Wortspenden des Amstetten-Ermittlers entblößen eine dubiose Denkungsart.

Die Aufmerksamkeit, die das größte österreichische Verbrechen der Nachkriegszeit hervorruft, zog einen Beamten namens Oberst Polzer in die Weltöffentlichkeit. Die mediale Rolle passt ihm wie ein drei Nummern zu großer Anzug. Als Polzer erstmals Herrn F. charakterisierte, passierte ihm folgende Aussage: „Dieser Mann verfügt offensichtlich nicht nur über eine besondere sexuelle Potenz, sondern er war wohl sehr herrisch und bestimmend.“ Der „Potenz“-Verweis wurde weltweit belächelt – könnte man jemandem, der andere einsperrt, nicht eher eine gewisse Impotenz unterstellen?

Was hat Josef F. sich bitte „genehmigt“?

Seitdem setzt Oberst Polzer seine Medientour fort. Im „Kurier“ (4. Mai) analysiert er: „Herr F. hat immer schon dafür gesorgt, dass alles streng geheim abläuft. Schon lange, bevor er sich eine seiner Töchter ausgesucht und sich mit ihr dasselbe noch einmal genehmigt hat, was er schon mit seiner Frau durchlebt hatte.“ Nun, was hat F. „sich genehmigt“? Spricht der Oberst etwa von Geschlechtsverkehr? Und was genau („dasselbe“?) hat F. mit seiner Frau „durchlebt“? Statt seine Wertmaßstäbe nach außen sickern zu lassen, könnte Polzer Klartext reden, Themen für Hobbypsychologen gäbe es genug: Was man in Österreich irreführenderweise „Inzestdrama“ nennt, wurde international als Vergewaltigungs- und Missbrauchsdrama bekannt.

Polzer ist ein Typus: der unbestechliche, knochentrockene Ermittler, bei dem man meint, einem fleischgewordenen Bescheid gegenüber zu stehen; und trotzdem rutschen ihm pausenlos Wortspenden heraus, die einen zutiefst dubiosen Einblick in seine Denkungsart geben. Er spricht von „diesem Mann, der bei all seinen Straftaten ein Getriebener seiner sexuellen Energie war“. Schwingt da Schulterklopfen mit, ein Verteidigungsversuch? Sollte man nicht lieber die Psychologie Spezialisten überlassen? Der Oberst ermittelt jedoch unverdrossen in F.s Psyche weiter: „F. hatte offenbar den Wahn, seine erste Familie mit einer jungen, hübschen Frau noch einmal zu gründen“ („Heute“, 6. Mai) – sexuell entsetzlich arg getrieben, ganz so wie die Gründungsväter großer Dynastien?

Martin Amanshauser, Autor, zuletzt „Logbuch Welt“. www.amanshauser.at, Bestell-Info: www.diepresse.com/amanshauser, 01/51414-555.


meinung@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2008)

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