Der rationale Iran

Selbst wenn der Iran in der Lage wäre, Trägersysteme nuklear zu bestücken, wäre deren Einsatz irrational.

Vorbehalte gegen den Iran und sein Vorhaben, eine nukleare Waffenoption zu entwickeln, sind nachvollziehbar; deswegen aber die Zusammenarbeit im Energiesektor zu blockieren, ist nicht zweckmäßig. Zur Wahrung der Energieversorgung der EU-27 ist die Zusammenarbeit mit vielen autoritären Regimen erforderlich – von Saudiarabien über Algerien, Libyen und Russland bis Nigeria. Der Iran ist damit kein Einzelfall. Immerhin importieren die Mitgliedstaaten der EU auch erhebliche Mengen an Rohöl aus dem Iran, allen voran Frankreich, Italien und Griechenland.

Die OMV ist nicht der einzige Energiekonzern, der an iranischem Gas interessiert ist. Indien und China streben erhebliche Gasimporte aus dem Iran an. Auch die russische Gazprom schickt sich an, massiv im iranischen Markt einzusteigen. Überdies bemüht sich der Iran, durch Flüssiggas (LNG) zusätzliche Exportmärkte zu erschließen. Das iranische Regime wird also auch ohne Investitionen aus der EU Einnahmen aus dem Gasexport lukrieren.

Neben den USA ist es auch Russland, das kein Interesse am Erdgasexport des Iran in die EU hat. Gazprom möchte den europäischen Markt exklusiv bedienen und setzt alles daran, die iranischen Gasexporte zu blockieren. Der Verzicht auf iranisches Gas wäre ein Beitrag zur Bildung eines Gaskartells, das erheblichen Preisdruck auf den europäischen Gasmarkt ausüben könnte.

Der Handel mit iranischem Gas kann die Stabilität des iranischen Regimes befördern; immerhin bezieht Iran 85 Prozent seiner Exporteinnahmen aus dem Öl- und Gassektor. Das trifft aber nicht nur auf den Iran zu, sondern auf eine Mehrheit der autoritären Staaten, mit denen die EU-27 im Energiesektor zusammenarbeiten. An Rohölimporten aus dem Iran aber gibt es keine Kritik – auch nicht von den USA, die steigende Rohölpreise befürchtet, wenn iranisches Öl von den Märkten verschwindet.

Die Kritiker werfen der OMV vor, das multi- und bilaterale Sanktionsregime gegen den Iran zu unterlaufen. Gerade philoisraelische Organisationen sehen in Sanktionen taugliche Mittel, um das Verhalten des Iran zu beeinflussen. Wenn aber das Regime rational genug ist, auf äußere Sanktionen zu reagieren, muss ihm auch zugebilligt werden, seine Interessen im Nahen Osten rational zu verfolgen. Das aber bestreitet die philoisraelische Gemeinde. Als Ausdruck des irrationalen Herrschaftscharakters werden die Brandreden Ahmadinejads angeführt. Ist das Gefasel des in der Machthierarchie des Iran ohnehin marginalisierten Präsidenten tatsächlich die Leitlinie der Außenpolitik? Sind die Hetzreden nicht vielmehr an die eigene Bevölkerung gerichtet, um diese angesichts wirtschaftlicher Härten nationalistisch zu mobilisieren?

Israels Zweitschlagfähigkeit

Selbst wenn der Iran in der Lage wäre, Trägersysteme nuklear zu bestücken, wäre deren Einsatz irrational, gerade gegen Israel, weil dessen Zweitschlagsfähigkeit nicht ausschaltbar ist und einen rational agierenden Iran ausreichend abschreckt. Auch die vielfach zitierte Erpressbarkeit Israels durch einen angedrohten nuklearen Schlag des Iran ist nicht gegeben, da auch in diesem Szenario die Abschreckungslogik greift.

Unbestritten ist die Rolle des Irans als destabilisierende Kraft in der Region – durch die Unterstützung für schiitische Milizen im Irak, die Schwächung der libanesischen Regierung über die Hisbollah, die Bewaffnung der radikalen Hamas und nicht zuletzt durch die strategische Allianz mit Syrien. Unbestritten ist auch, dass dadurch israelische Sicherheitsinteressen beeinträchtigt werden. Israel kann sich aber seiner Verantwortung für die regionale Stabilität nicht entziehen; der Ruf nach militärischer Härte durch die USA gegen eine nicht bestehende Gefährdung Israels durch den Iran darf nicht erhoben werden, nur weil die israelische Führung nicht fähig oder bereit ist, ihren Beitrag zu einer friedlichen Lösung zu leisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2009)

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