Radio ohne Literatur?

Der ORF plant Kürzungen bei der Ö1-Literatur. Das betrifft Autoren und Buchhandel – und wäre eine geistige Verwüstung.

In sogenannten 08/15-Meldungen, die mehr oder weniger untergegangen sind, wurde berichtet, der ORF plane im Bereich der Ö1-Literatur Schemaadaptionen. Die gelernte Hörerin und der leidenschaftliche Hörer wissen, was das bedeutet. Nichts anderes als Einsparungen. Betroffen von den Kürzungen wären, beispielsweise, die höchst qualitativen Literatursendungen „Beispiele“ und „Radiogeschichten“, aber auch andere. In diesen Sendungen werden aktuelle Literatur und belletristische Neuerscheinungen – unter Mitwirkung der Bundesländerstudios – präsentiert.

Die Ergebnisse, für die Peter Klein und Edith-Ulla Gasser verantwortlich sind, brauchen keinen Vergleich mit Sendungen anderer deutschsprachiger Radiostationen zu scheuen. Sie gehören mithin zum Besten, was in der Abteilung Literatur und Hörspiel auf diesem Gebiet in den Äther geschickt wird.

Ich schicke es voraus: Ich bin – als österreichischer Schriftsteller – einer der Nutznießer dieser Programme. Und bin immer begeistert, wenn ein hervorragender Schauspieler im Radio einen meiner Texte liest oder vielmehr spielt?

Peter Klein, der Ö1-Interimschef, hat den Medien gegenüber bestätigt, dass Änderungen im Programm diskutiert werden. Dazu hat mich sehr verwundert, dass die sonst so braven Unterschriftsteller und –stellerinnen nicht einen Aufschrei losgelassen haben. Einzig der Generalsekretär der Interessengemeinschaft Autorinnen und Autoren, Gerhard Ruiss, von dem auch ich mich naturgemäß vertreten fühle, reagierte, wie es in der „Kleinen Zeitung“ hieß, scharf. Er sprach von geplanter Verödung des Senders und der Zerlegung von Ö1 in seine Einzelbestandteile.

Wie auch immer, der ORF ist als öffentlich-rechtlicher Sender gesetzlich verpflichtet, seinem Kulturauftrag nachzukommen. Und Literatur gehört bekannterweise in den Kulturbereich. Es kann nicht Sinn und Zweck von Programmanpassungen sein, Wortsendungen gänzlich abzuschaffen, um der ganztägigen Berieselung durch Musik, und sei sie noch so klassisch oder hochstehend, Raum zu geben. Darüber hinaus sind die Literatursendungen einerseits eine Einkunftsquelle für Autorinnen und Autoren, die für gewöhnlich mit diesen Mitteln ohnehin nicht gesegnet sind, und andererseits werden, insbesondere in der „Beispiele“-Sendung am Freitagvormittag, Neuerscheinungen in geeigneter Weise popularisiert. Nicht wenige Hörerinnen und Hörer suchen in der Folge Buchhandlungen auf, um nach dem Hör- auch dem haptischen Genuss zu frönen, wovon außerdem der heimische Buchhandel, der in letzter Zeit hauptsächlich jammert, profitiert.

Ein überaus wunder Punkt sind in der Literaturvermittlung die Gedichte. Kaum eine Zeitung veröffentlicht Rezensionen über Lyrikbände. Auch hier ist der ORF mit den samstägigen Nachtbildern vorbildhaft. Zumindest noch immer. Lyrikerinnen und Lyriker werden mit ihren neuen Gedichtbänden vorgestellt, die Abschaffung dieser Literaturleiste käme nicht einer Verödung, sondern geradezu einer Verwüstung gleich.

Ich bin immer für Fortschritt durch Veränderung. In diesem Fall kann ich jedoch nur hoffen, dass die schön umschreibende Schema-Adaption nicht Verödung und Verwüstung in einem sein wird.

Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Sein neuestes Werk ist der Gedichteband „Brot und Liebe“ (Styria).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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