Enttäuschung in Rot-Schwarz?

Österreichs Politik braucht Erneuerung – und das bieten die Neos an. Auch wenn man anfangs noch in „Schlaglöcher“ fährt.

Chefredakteur Rainer Nowak schrieb in seinem „Presse“-Leitartikel von einer „Enttäuschung in Pink“. Enttäuscht? Rekapitulieren wir: Anfang 2012 formiert sich ein Grüppchen engagierter Menschen und beschließt, eine neue Partei zu gründen. Das waren längst enttäuschte ÖVP-Wähler, Grüne und Liberale. Was diese Menschen einte: Die österreichische Politik braucht Erneuerung.

Knapp eineinhalb Jahre später gelang das Unglaubliche: der Einzug in den Nationalrat. Bedauerlicherweise gelang es aber nicht, die rot-schwarze Mehrheit zu brechen – die gerade veröffentlichten Wahlkampfkostenabrechnungen sprechen in diesem Zusammenhang Bände. Diese rot-schwarze Mehrheit lenkt das Land weiter mit lähmend ruhiger und reform-averser Hand. Der Stillstand bleibt.

Die Neos hingegen etablierten sich im vergangenen Jahr als politische Kraft. Wesentliche Themen wie die politische Aufarbeitung der Hypo, ein parteiübergreifender Anstoß in Sachen Bildungspolitik sowie substanzielle Kritik an einem so nicht haltbaren Budget wurden vorangetrieben. Oppositionsarbeit: hart und sachkundig, dabei aber stets getragen vom Bemühen um einen respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander.

Insgesamt zeichnet die Neos eine große Ernsthaftigkeit aus – auch in Bezug auf sich selbst. Selbstkritik und -reflexion, der Wille, aus Fehlern zu lernen – ich würde mir wünschen, diese Eigenschaften wären bei den anderen Parteien in ähnlichem Ausmaß erkennbar.

Grüne haben sich arrangiert

Die größte Enttäuschung war für die meisten Beobachter, dass die Neos zwar bei allen Wahlen erfolgreich waren, aber „unter den Erwartungen“ blieben. Hat irgendjemand geglaubt, dass die Neos in einem Jahr ein System aus den Angeln heben könnten, das über Jahrzehnte gewachsen ist? Und so stark ist, dass auch die Grünen entschieden haben, sich besser damit zu arrangieren (siehe Wien, wo die Grünen letztlich dem Filz in der Verwaltung und den ausgegliederten Betrieben nichts entgegensetzen konnten)?

Und was ist jetzt konkret passiert? Die Neos sprechen sich für eine Freigabe von Cannabis aus. Grundgescheit, denn ernsthaftes Befassen mit dem Thema zeigt, dass das sowohl aus Präventions- als auch aus Kriminalitätsbekämpfungssicht klug wäre.

Aber weder messen wir Neos dem Thema zentrale Bedeutung zu, noch machen wir es zu einer Fahnenfrage. Wir haben eine Position. Das ist schon mehr, als andere Parteien haben.

Regierung: Keine Reformen

Worin liegt also die Enttäuschung? Vielleicht zeigt der liberale Ansatz, dass wir Neos nicht die ÖVP 2.0 sind? Oder, dass Rot und Schwarz in der x-ten Auflage bis jetzt wieder keine Reform vorangetrieben haben? Oder, dass es wieder eine neue Belastungswelle – sprich höhere Steuern – gegeben hat und das Budget aber trotzdem nicht halten wird? Liegt sie darin, dass es keinen Fahrplan zu einer Pensionsreform gibt?

Liegt sie darin, dass in der Bildungsfrage der Ruf nach autonomen Schulen als völlige Utopie in einem Land abgetan wird, das gewohnt ist, Schulleiter nach Parteibuch zu bestellen? Oder schwant unseren Kritikern, dass es weitergeht mit dem Stillstand in der Regierung und dem Wegducken angesichts enormer Herausforderungen – und dass (vorerst) auch die Neos hier nichts ändern können?

Zugegeben: Mit Blick auf strategische Stimmenoptimierung hätten wir so manches Thema ruhig auslassen können. Als „Schlaglöcher“, in die wir gefahren wären, bezeichnete ein Freund diese Themen jüngst. Er legte aber gleich nach und bemerkte, nur wer im Stillstand verharre, könne kein Schlagloch erwischen.

Wir fahren weiter, im Gepäck „Erneuerung!“ als unser Angebot!

Beate Meinl-Reisinger ist stellvertretende Klubobfrau der Neos und Landessprecherin in Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2014)

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