Was bin ich?

Welches Trikot ich beim Spiel Österreich gegen Bosnien anziehe? Mich ärgern solche Fragen.

Seitdem bekannt ist, dass das österreichische Nationalteam im kommenden März ein Freundschaftsspiel gegen Bosnien absolvieren wird, werde ich von vielen Seiten gefragt, zu wem ich eigentlich helfen werde. Und ob ich mich eher als Bosnier oder als Österreicher fühle. Irgendwie ärgern mich solche Fragen – ich halte sie für belanglos, jedoch regen sie mich zum Nachdenken an. Und ich muss auch zugeben, dass sie mich innerlich ein wenig entzweien und ich meine Identität etwas hinterfrage – jeder will ja irgendwo dazugehören.

Rein faktisch gesehen bin ich Österreicher, und ich fühle mich auch als einer. Wie könnte es auch anders sein, wenn man hier geboren wurde, aufgewachsen ist und nie woanders gelebt hat. Aber trotzdem werde ich für viele allein wegen meines Namens immer ein Bosnier bleiben. Dagegen kann ich auch nichts machen. In gewisser Art und Weise bin ich glücklich darüber, auch wenn man oft mit Vorurteilen konfrontiert wird. Es besteht zweifellos eine gewisse Affinität gegenüber dem Land meiner Vorfahren, was eigentlich nur auf die Sprache und meine Erziehung zurückzuführen ist.

In erster Linie sehe ich mich als Europäer, in zweiter Linie als Österreicher und erst dann vielleicht als Bosnier.
Bosnien ist für mich ein Phänomen, das ich nicht erklären kann. Es besteht eine gewisse emotionale Bindung, jedoch wird es niemals eine Heimat für mich werden, und ich bin auch froh, dass ich weit weg von den Ereignissen dort bin. Ich hasse dieses Land wahrscheinlich genauso sehr, wie ich es mag. Es ist eine Welt, die man als Außenstehender nicht verstehen kann, die von Europa unendlich weit entfernt scheint.

Dort wird nicht der Mensch in erster Linie als Mensch gesehen, sondern als Bosniake, Kroate oder Serbe. Der Krieg ist Thema Nummer eins und läuft in Wahrheit in den Köpfen der Menschen, auch zwanzig Jahre danach, noch immer weiter. Zu meinem Bedauern auch in meinem Umfeld. Und auch bei den Jüngsten. Man hat es sich in der Opferrolle, vor allem auf bosniakischer Seite, zu der offiziell anscheinend auch ich gehöre, bequem gemacht. Am liebsten wäre es mir, gar nichts davon zu sein.

Aber irgendwie bin ich doch beides, sowohl Österreicher als auch Bosnier, und deswegen empfinde ich auch große Sympathien für das bosnische Nationalteam, weil die Spieler ja auf eine gewisse Art Leidensgenossen von mir sind – und ein ähnliches Schicksal und die gleiche Zerrissenheit in sich tragen. Die meisten sind Vertriebene, die eine neue Heimat fern von Bosnien gefunden haben.

Aber letztendlich wird es egal sein, was ich bin. Ob ich dann im März im Ernst-Happel-Stadion ein Trikot anhabe, auf dem Alaba, Arnatović, Pjanić oder Džeko draufsteht – es ist komplett belanglos. Auf den ersten Blick besteht auch kein Unterschied.

Fahrudin Ramic (22) studier Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Der Österreicher mit bosnischen Wurzeln arbeitete im September als Praktikant bei DiePresse.com.

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