Sollen künftig nur noch Wohlhabende Kultur konsumieren?

Zur geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer im Kunst- und Kulturbereich.

Wie schlau ist die Geldbeschaffung zur Finanzierung der Steuerreform über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für den Konsum von Kunst und Kultur? Für Theater- und Kinokarten, für den Ankauf von Büchern, Zeitschriften oder Kunst?

Das Argument, all diese Angebote würden vor allem von der etablierten und wohlhabenden Bevölkerung konsumiert werden, deshalb sei es nur recht und billig, wenn sie mehr dafür zahle, ist nur vordergründig plausibel. Mit ähnlicher Argumentation wird auch immer wieder die Einhebung von Studiengebühren verlangt. Wer der Ansicht ist, dass Studien wie alle anderen Dienstleistungen dem Prinzip von Angebot und Nachfrage gehorchen sollten, wird auch die Konsequenz akzeptieren: Wer dafür Geld hat, darf lernen.

Ähnliches gilt für die Kultur. Wenn sie tatsächlich vor allem von Wohlhabenden konsumiert wird, muss das noch verstärkt werden? Kunst, Kultur und Information sind das Substrat des demokratischen und ethischen Diskurses, und eine Teilnahme daran darf nicht vom Geld abhängig sein. Aufgabe des Staates wäre es daher, Publikum zu gewinnen – und nicht umgekehrt, es zu verschrecken. So war das bisher Konsens in fast allen europäischen Ländern. Und das ist auch der Grund dafür, dass in diesen Ländern kulturelle Dienstleistungen nur mit ermäßigter Mehrwertsteuer belastet sind.

Verengter Zugang zur Kultur

Das Übel jeder Mehrwertsteuer ist ihre mangelnde Progression: Alle zahlen den gleichen Betrag für die gleiche Leistung. Auch jene, die weder über Einkommen noch über Vermögen verfügen. Sie zahlen für Waren und Dienstleistungen, die sie zum Leben benötigen, gleich hohe Steuern wie gut Situierte und verkraften deshalb Preiserhöhungen weniger leicht.

Was also wird bei einer Verteuerung kultureller Angebote passieren? Der Zugang wird sich verengen. Die weniger Betuchten werden sich aus dem kulturellen Diskurs ausklinken – und dann erst tritt das ein, was als Argument für die Erhöhung der Mehrwertsteuer jetzt schon herhalten muss: Da nur besser Situierte Kunst und Kultur konsumieren, sollen sie auch dafür bezahlen.

Wird Kinobesuch zum Luxus?

Bleibt noch die Frage, was mit den anderen ist. Und warum der Staat so viel Geld in Bundestheater und Museen steckt, wenn diese vor allem für Wohlhabende sind?

Und was ist mit den Kinos? Sind die Kinos denn nicht eine der wichtigsten sozialen Einrichtungen für Jugendliche? Und sind diese Jugendlichen eine Gruppe von Menschen, die Geld hat? Mit jeder Erhöhung der Eintrittspreise wird auch der Kinobesuch mehr zu einem Luxus, den sich weniger gönnen werden.

Für seine Steuerreform braucht der Staat Geld. Aber was ist das für eine Reform, die Geld vorher wegnimmt, um es dann großzügig zurückzugeben? Und noch etwas: Der finanzielle Nutzen einer Mehrwertsteuererhöhung aus der Kultur wird auf 50MillionenEuro geschätzt. Das ist in etwa der Betrag, der zur dringenden Sanierung des Kulturbudgets benötigt wird, das seit vielen Jahren trotz steigender Kosten für Personal und Infrastruktur konstant geblieben ist.

Würde das Kulturbudget in den kommenden Jahren tatsächlich um 50Millionen vermehrt werden, wäre es in Wahrheit über die erhöhte Mehrwertsteuer von jenen finanziert worden, die Kultur nutzen. Mit dieser Einstellung könnte auch die Benutzung von Parks mit Eintrittspreisen belegt werden, und irgendwann brauchten wir keine staatliche Umverteilung mehr. Willkommen im amerikanischen Wirtschaftsliberalismus.

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (*1954 in Wien) ist Kulturwissenschaftler, Kultur- und Minderheitensprecher der Grünen, seit 2004 Abgeordneter zum Nationalrat.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2014)

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