Gesucht: Macher, um die Politik besser zu verkaufen

Österreichische Politikmuster: mehr Schein als Sein, Ersetzung der konkreten Politik durch Show und Inszenierung.

Die Untersuchungskommission rund um den Megaskandal Hypo Alpe Adria wirft eine zentrale Frage zum Politikmanagement in unserer Zeit auf. Die Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit stark ausgebaut – zum Teil als Tribut an den Zeitgeist, zum Teil als letzte Hoffnung auf die wirkungsvolle Beeinflussung der Wähler.

Wenn nun die Griss-Kommission als Fazit zu den Untersuchungen unter anderem fragt, wie es denn kommen könne, dass die Politik in einer solch zentralen Frage ausschließlich von Überlegungen der Public Relations getrieben sei, während man eine strategische Vorbereitung auf wesentliche Verhandlungen, wie eben eine sogenannte Notverstaatlichung eigentlich nicht ausmachen könne, sind wir an einer zentralen Frage des heutigen österreichischen Politikmanagements angelangt.

Mehr Schein als Sein, Ersetzung der konkreten Politik durch Show und Inszenierung – das sind jene Politikmuster, die die vergangenen zwei Jahrzehnte in diesem Land zunehmend geprägt haben. Nun wäre gegen eine Professionalisierung des Verkaufs, also eine kräftige Nachrüstung des Marketings, nichts einzuwenden, wenn nicht gleichzeitig das Produkt der Politik einem rapiden Qualitätsverfall unterworfen wäre.

Methodischer Dilettantismus

Bei der externen Politikanalyse tut man sich manchmal schwer, weil das Handeln der heimischen Politik in vielen Fällen die Welt des Politischen gar nicht erreicht, und die Politik im Vorhof des Handlungs-Dilettantismus hängen bleibt. Der Verkauf einer Problembank ist ein komplexer Vorgang und bedarf der Begleitung interdisziplinärer Expertise, wie sie von Rechts- und Wirtschaftsberatungsdienstleistern eingekauft werden kann. Und selbst bei klammen Kassen gilt: Relevantes Fakten-, Struktur- und Personalwissen kann nicht zu teuer sein. Teuer ist einzig und allein die Folge von Dilettantismus, wie sie beim Beispiel Hypo Alpe Adria von der Untersuchungskommission überzeugend dargestellt wurde.

Betrachtet man die Art und Weise, wie die Politik komplexe Entscheidungsprozesse oder die Weiterentwicklung öffentlicher Güter und Leistungen angeht, muss einem angst und bange werden. Methodischer Dilettantismus, unklare Zielformulierung, gestörtes Teamwork – all das sind Elemente einer dysfunktionalen Organisationskultur, und dafür ist eine politische Verantwortung festzumachen.

Gestörtes Teamwork im Regierungsmanagement fängt bereits bei einer vollkommen falschen Auffassung von Koalition an, die nur in der Kategorie der Schnittmenge beider Partner gesehen wird. Folge davon sind rote und schwarze Einflussbereiche im ideenlosen Nebeneinander. Neben der Schnittmenge von zwei Koalitionspartnern, sollte auch auf die Vereinigungsmenge geschaut werden. Damit sollte sich die Frage beantworten lassen, was die zwei Partner in der konkreten Partnerschaft besser schultern als andere. Im Idealfall ergeben sich sogar Synergie-Effekte, was eine Erfolgskoalition auszeichnet.

Die dysfunktionale Organisationskultur ist unter anderem in einer falschen Problemsicht begründet. So erspart eine Holding für die Gemeinwirtschaft – also die ÖIAG – dem Staat nicht die Aufgabe, als Eigentümer ständig über neue Formen des Managements von Staatseigentum nachzudenken. Die vollständige Delegierung dieses Themenbereichs an den dazu geschaffenen Organisationskörper birgt die Gefahr, dass nur dessen Interessen, aber nicht die des Eigentümers und Steuerzahlers im Fokus stehen.

Methodischer Dilettantismus und unklare Zielformulierungen schließlich gefährden jeden geplanten Managementerfolg und betreffen so auch den in der Auslage stehenden Politiker.

Es fehlen die Politikmacher

Es ist verwunderlich, dass die Politik diesem Problem kein Augenmerk schenkt. Unserer Politik fehlen die „policy makers“, die Politikmacher – also jene Experten, die an der Schnittstelle von Politik und jeweiliger Fachexpertise wirken und Politik in professionelle Strukturen lenken, um das Produkt Politik besser zu verkaufen und auch zur Verbesserung des erlebten Führungskomforts von Spitzenpolitikern beizutragen.

Solche Politikmacher sind freilich nicht frei verfügbar in Vorfeldorganisationen, Studentenverbindungen, Parteijugendorganisationen oder in den Reihen von Journalismuspraktikanten zu finden.

Qualität ergibt sich nicht als Zufallsprodukt der Gruppendynamik. Qualifizierte Politikmacher sind aufzubauen und damit das Ergebnis von Personalentwicklungsmaßnahmen. Es versteht sich von selbst, dass sie im Unterschied zu Politikern, die politisch legitimiert sind, Qualifikationsanfordernissen entsprechen müssen. Für die besten der parlamentarischen Mitarbeiter von Abgeordneten wären hier interessante Karrierelaufbahnen auszumachen.

Österreichs viele Baustellen

Politische Systeme im Ausland, insbesondere im angelsächsischen Raum, aber auch multilaterale Organisationen, bedienen sich solcher Politikmacher, die dann als Berater die Regierenden umfassend betreuen. In dem Ausmaß, in dem in den letzten 20 Jahren eine „Verdünnung“ des Auftritts der Topbeamtenschaft auszumachen ist – das Herumdoktern an Dienstrechten wirkt sich aus, starke Beamtenpersönlichkeiten werden infolge undifferenzierter Abschaffung der Pragmatisierung schon von der organisatorischen Aufstellung her geschwächt –, sinkt auch die Qualität öffentlicher Güter und Leistungen.

Hervorragende Legisten allein können da nichts ausrichten. Wenn man sich die Baustellen anschaut, die wir in Österreich von ÖIAG bis Bundesheer, von Justiz bis Pensionswesen, von Migrationsproblemen bis zu Bildungsfragen haben, so mangelt es eben primär an den Potenzialen der strategischen Ebene. Ministerbüros, aber auch Regierungsbüros auf Länderebene, die sich primär als Public-Relations-Agenturen verstehen, haben offenbar das Produkt, das sie zu verkaufen haben, aus den Augen verloren.

Im Fall einer etwas komplexeren Aufgabenstellung, wie etwa der notwendigen Nachjustierung beziehungsweise Neuaufstellung eines Wirtschaftssektors, wie dem Bankwesen, kommt es dann zu einem multiplen Organversagen, wie verschiedene Medien titelten. So gesehen ist die Untersuchungskommission Hypo ein Glücksfall im Unglück dilettantischer Vorgangsweise der öffentlichen Hand.

Mehr Professionalität

Die USA, aber auch die benachbarte Schweiz haben aus dem Titel Bankensanierung ein Geschäft gemacht. Dieser Verdacht besteht in Österreich nicht. Der Problembenennung muss allerdings auch eine Therapie folgen.

Politikmacher könnten helfen, das Pionierhafte in unserer Politik von vornherein mit etwas mehr Professionalität zu versehen, auf dass die Armada der Pressesprecher ein überzeugenderes und damit besseres Produkt Politik verkaufen könnte. Qualität kann nicht allein der Nationalrat kontrollieren. Qualität muss in der Exekutive bereits produziert werden.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Dr. Bernhard Löhri,
(*1953) absolvierte die Wirtschaftsuni Wien. Die beruflichen Stationen konfrontierten ihn mit Fragen der Managementaus- und -weiterbildung und der Organisationsentwicklung in Management und Politik – national und international. Letzteres im Rahmen von Missionen des Rates der EU auf dem Westbalkan. [ Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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