Österreichs Gemeinden bereit zu Reformdebatte

Die Gemeinden mit falschen Zahlen anzugreifen löst den Reformstau nicht auf.

Gudula Walterskirchen hat in ihrem „Quergeschrieben“ (5.1.) die Verschuldung der Gemeinden kritisiert und ein Ende der Kirchturmpolitik gefordert. Das ist ihr gutes Recht. Wenn jedoch die Zahlengrundlage der Kritik so drastisch von der Faktenlage abweicht, dann ist Widerspruch notwendig.

Konkret wurde den Gemeinden vorgeworfen, dass sie pro Einwohner mit 4630 Euro verschuldet seien. Das würde einen Gesamtschuldenstand von 31Milliarden Euro bedeuten (ohne Wien, denn die Bundeshauptstadt wird als Bundesland bewertet). Tatsächlich betrugen 2013 die Finanzschulden der Kommunen 11,4Milliarden Euro (1700 Euro pro Kopf), bei einem Jahresbudget von 17 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Schuldenstand des Bundes liegt derzeit bei rund 226 Milliarden Euro, bei einem Jahresbudget von rund 75 Milliarden Euro.

Selbst wenn man die Verbindlichkeiten der ausgegliederten kommunalen Gesellschaften einberechnet (rund 2,5 Mrd. Euro), kommt man bei Weitem nicht auf die behaupteten Werte. Faktum ist, dass die Gemeinden seit drei Jahren Budgetüberschüsse erzielen und der reale Schuldenstand sinkt. Dies ist im Gemeindefinanzbericht, der auf den Rechnungsabschlüssen aller Gemeinden beruht, für jedermann jederzeit nachlesbar.

Immer mehr Aufgaben

Die großen Defizite und Schulden findet man übrigens in Städten wie Wien, Linz, Graz oder Wiener Neustadt. In der gesamtösterreichischen Betrachtung müssen die Defizite der Großen von den vielen kleinen Gemeinden ausgeglichen werden. Richtig bleibt der Reformbedarf, den nicht nur Frau Walterskirchen, sondern auch der Gemeindebund einfordert.

Die Gemeinden leiden darunter, dass ihnen immer mehr Aufgaben aufgehalst werden, die sie nicht nur umsetzen, sondern auch finanzieren sollen. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen etwa muss zum großen Teil aus den kommunalen Budgets finanziert werden. Für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen die Kommunen Jahr für Jahr mehr an die Länder bezahlen. Inzwischen überweisen die Gemeinden den Ländern um rund eine Milliarde Euro mehr pro Jahr, als von dort an sie zurückfließt.

Aufgabenreform ist überfällig

Österreich hat in vielen Bereichen einen großen Reformstau. Es bedarf einer Aufgabenreform, die das Dickicht an Zuständigkeiten ausholzt. Für die Kinderbetreuung sind vier Ministerien und neun Bundesländer mit jeweils unterschiedlichen Regeln zuständig. Umsetzen und finanzieren sollen die Gemeinden. Ähnliche Zustände gibt es in vielen anderen Bereichen auch. Im Zuge einer Aufgabenreform müssen wir klar definieren, welche Ebene welche Aufgaben erfüllen soll und dafür dann transparente Finanzierungsströme schaffen. Nur so sind Doppelgleisigkeiten und Mehrfachzuständigkeiten verhinderbar.

Ich halte das auch für wichtiger als jede Diskussion über Steuererhöhungen. Unser Land hat kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Jeder Ebene muss klar sein, dass sie nicht mehr Geld ausgeben kann, als sie einnimmt. Und die Lösung dafür liegt nicht in Steuererhöhungen.

Die Gemeinden haben das verstanden. Hunderte Gemeindeverbände, in denen Aufgaben gemeinsam erledigt werden, sind wichtige Belege dafür. Ob Zwangsfusionen wie in der Steiermark finanziell einen Vorteil bringen, das werden die nächsten Jahre zeigen. Für eine offene und ernsthafte Reformdebatte stehen die Gemeinden Österreichs jederzeit bereit.

Helmut Mödlhammer, 63 J., ist seit 1999 Präsident des Österreichischen Gemeindebundes. Er war 28 Jahre Bürgermeister von Hallwang in Salzburg und hat sich Anfang 2014 aus diesem Amt zurückgezogen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2015)

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