Debatte über den Islam ist überfällig

Welche Konsequenzen wir alle aus den jüngsten Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt ziehen sollten.

Überwältigend waren die Solidaritätsbekundungen mit den 17 Todesopfern der islamistischen Anschläge von Paris gegen das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt. Es waren Manifestationen für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und gegen den Antisemitismus. Unzählige Regierungsvertreter, unter anderem auch Benjamin Netanjahu aus Israel und Mahmud Abbas aus Palästina, nahmen daran teil. Ein Zeichen dafür, dass die schon mit Ungeduld erwartete Lösung dieses Konfliktes einer der Schlüssel für einen erfolgreichen Kampf gegen den Terror ist.

Nun stellt sich die Frage nach den Konsequenzen. Nach meinem Dafürhalten gibt es auf mehreren Ebenen Diskussions-, aber auch Handlungsbedarf. Selbstverständlich steht bei terroristischen Anschlägen – welcher Art auch immer – die sicherheitspolitische Dimension unter Wahrung der Grundrechte im Vordergrund. Insgesamt ist es auch weiterhin wichtig, die Finanzierungsquellen des Terrors weltweit ohne Rücksicht auf allfällige politische und wirtschaftliche „Bündnispartner“ auszutrocknen.

Nährboden Arbeitslosigkeit

Zweiter wesentlicher Punkt ist die entschlossene Verteidigung unserer Grundrechte und der Prinzipien unserer Demokratie. Der Angriff auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ war ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Diese gilt es ausnahmslos zu verteidigen. Die Verteidigung und Durchsetzung der Trennung von Politik und Religion im Gegensatz zu einem Gesellschaftsmodell auf Basis von religiösem Recht ist kompromisslos fortzusetzen.

Drittens wissen wir, dass die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa ein ganz besonderer Nährboden für die Radikalisierung von Jugendlichen ist. Dies begünstigt die Rekrutierungsarbeit radikaler Islamisten. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat somit höchste Priorität.

Viertens sind auch die islamischen Staaten gefordert. Wenngleich die Verurteilung der Morde in Paris auch von ihrer Seite erfolgte, so ist doch eine kritische Reflexion darüber notwendig, was die Effektivität ihrer Maßnahmen gegen die Finanzierungsquellen des Terrors betrifft.

Keine Gleichsetzung

Gesellschaftspolitisch ist unter anderem noch kritisch die religiös motivierte, krasse Benachteiligung der Frauen anzumerken und, dass Blasphemie noch immer mit der Todesstrafe geahndet wird. So verhängte Saudiarabien, nach den Solidaritätskundgebungen für die Attentatsopfer, über einen Blogger wegen Beleidigung des Islam die Strafe von tausend Peitschenhieben. Übrigens ein Argument mehr dafür, dass Österreich sich aus dem „interreligiösen Abdullah-Zentrum“ Saudiarabiens in Wien zurückziehen sollte.

Selbstverständlich dürfen die islamistischen Terroristen nicht mit der Mehrheit der friedlich lebenden Muslime gleichgesetzt werden. Aber – wie auch die Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Seyran Ates in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ argumentierte – der Islam kann in der Diskussion nicht ausgeblendet werden. Oder wie Adnan Aslan im „Profil“ betonte, es genüge nicht, sich von den Terrorattentaten zu distanzieren: „Wir müssten uns von den religiösen Inhalten distanzieren, auf die gewaltbereite Muslime sich berufen.“

Dies scheint umso wichtiger, als weltweit die Mehrzahl der Opfer des islamistischen Extremismus ja ebenfalls Muslime sind. Daher meine ich, dass es eine Diskussion über den Islam und die Werte der europäischen Aufklärung braucht. Diese Diskussion muss von uns allen geführt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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