Keine Sturzgeburt, sondern Österreich bildet Schlusslicht

Liberalisierungen im novellierten Fortpflanzungsmedizingesetz sind überfällig.

Die geplante Reform des Fortpflanzungsmedizingesetzes ist wahrlich keine Sturzgeburt, wie mein akademischer Vorgänger Johannes Huber in seinem Gastkommentar vom 20.Jänner angemerkt hat. Seit Inkrafttreten des Gesetzes sind mehr als 20 Jahre vergangen, und Österreich ist bezüglich moderner Reproduktionstechniken Schlusslicht in Europa. Die Präimplantationsdiagnostik ist in keinem anderen Land mehr verboten!

Die vorgelegte Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes sieht nun unter strengen Kautelen eine durchaus vernünftige Liberalisierung vor. Der Hinweis auf einen potenziellen Missbrauch genetischer Diagnostik bei alten, chronisch kranken Pensionisten in China (!) ist hier allerdings wohl völlig deplatziert.

Wenn man darüber hinaus das Differenzierungsverbot der Menschenrechtskonvention nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung ernst nimmt, müssen die vehementesten – nicht selten aus dem katholischen Lager stammenden – Gegner einsehen, dass nationale und europäische Höchstrichter viele gesetzliche Verbote in Zukunft kippen werden. Hier passierte es mit dem Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren von der Reproduktionsmedizin.

Unzählige Studien vorhanden

Wenn Huber bemängelt, dass es zu wenige Daten bezüglich der Entwicklung von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren gibt, sollte er sich der Mühe einer wissenschaftlichen Literatursuche unterziehen. Ehrlich gesagt gibt es hier – zu meiner eigenen Überraschung – mittlerweile eine nahezu unüberschaubare Anzahl an wissenschaftlichen Studien und Langzeitbeobachtungen, die zeigen, dass sich Kinder aus diesen Partnerschaften nicht wesentlich unterscheiden.

Manche Studien weisen sogar auf einen Vorteil bezüglich des Selbstbewusstseins bei Kindern aus homosexuellen Partnerschaften hin. Parameter wie Sozialstatus und Qualität der innerfamiliären Beziehungen sind für die Entwicklung der Kinder offenbar viel wesentlicher als die tatsächliche Struktur der Familie. Angesichts dieser sehr umfangreichen Forschungsergebnisse scheint die Annahme, Kinder gleichgeschlechtlicher Paare seien in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, ganz offensichtlich ein Vorurteil zu sein.

Interessenkonflikte benennen

Die Bioethikkommission, deren Vorsitzender Johannes Huber früher einmal war, berät die Bundesregierung aus ethischer Sicht in allen gesellschaftspolitischen Fragen, die sich auf dem Gebiet der modernen Medizin ergeben.

Die Aufarbeitung diverser Aspekte durch die Kommission hat dazu beigetragen, dass die Reform des Gesetzes nun endlich umgesetzt werden soll, und wesentliche Teile ihrer Empfehlungen sind eingeflossen.

Potenzielle Interessenkonflikte der Experten dieser Kommission werden klarerweise auf der Homepage aufgelistet. Ich bin allerdings der einzige Reproduktionsmediziner in diesem Gremium und habe diesbezüglich keinerlei ökonomische Interessen.

In einem Punkt muss ich Johannes Huber allerdings vollkommen beipflichten: Obwohl die kumulative Samen- und Eizellspende nun erlaubt werden soll, bleibt die Embryonenspende weiterhin verboten, und übrig gebliebene Embryos nach Fertilitätsbehandlungen müssen spätestens nach zehn Jahren vernichtet werden. Hier scheint eine Spende im Sinne einer „Frühadoption“ sowohl medizinisch als auch ethisch ungleich gerechtfertigter als die „Entsorgung“ der tiefgefrorenen Embryonen.

Univ.-Prof. Dr. Christian Egarter ist Leiter der Klin. Abt. f. Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Medizinischen Universität Wien und Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2015)

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