Entmündigung der Zivilgesellschaft

Zu den neuerlichen Vorstößen der SPÖ, ein strengeres Gleichbehandlungsgesetz zustande zu bringen.

Die SPÖ unternimmt im Nationalrat einen weiteren Versuch, ein strengeres Gleichbehandlungsgesetz durch den Ministerrat zu jagen. Unter dem Begriff „Levelling up“ sollen Unternehmen – aber auch private Vermieter – keine Unterscheidungen mehr in Hinblick auf Alter oder sexuelle Orientierung treffen. Bei der Vermietung einer privaten Wohnung sollen künftig die erwähnten Merkmale möglicher Mieter also zu keiner Ablehnung führen dürfen. Wenig überraschend: Wird dieses Gesetz so umgesetzt, kommt es zum massiven Konflikt zwischen dem Recht auf Gleichbehandlung und dem Recht auf Eigentum.

Darf tatsächlich eine Partei der gesamten Gesellschaft eine Wertehaltung „verordnen“? Natürlich muss das entschlossene Auftreten gegen Diskriminierung Aufgabe und Auftrag für alle sein. Die laufende Debatte zielt allerdings am grundsätzlichen Problem vorbei: Wo bleibt denn die Kraft der Zivilgesellschaft in all diesen Diskussionen?

Man kann unser Zusammenleben nicht nur mit Gesetzen und Verboten definieren, sondern auch, indem eine aktive Zivilgesellschaft gefordert und gefördert wird und ihr auch das entsprechende Vertrauen entgegengebracht wird. Die aktuelle Vorgehensweise weist eher daraufhin, dass die Zivilgesellschaft „entmündigt“ werden soll.

Greift der bisherige Schutz?

Der jetzige Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt, der sich ausschließlich auf Geschlecht sowie ethnische Zugehörigkeit bezieht, mag zwar eine legitime Grundlage dafür bieten, marginalisierte Gruppen zu schützen, es ist jedoch fraglich, inwiefern dieser überhaupt greift. Die Frage ist: Welche Ziele verfolgt der Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt? Und: Welchen Beitrag hierzu leistet die entsprechende Regelung?

Diskriminierung außerhalb von Unternehmen und öffentlichen Stellen zu ahnden, ist eine schwierige Aufgabe. Ob eine Wohnungsvergabe nun auf Kriterien von Geschlecht des möglichen Mieters entschieden wurde oder wegen der sexuellen Ausrichtung der interessierten Mieterin, oder schlichtweg aus Sympathie erfolgt, ist schwierig zu eruieren. Ob eine Dienstleistung auf Grund von Diskriminierung oder aus anderen Gründen verweigert wurde, ist oft Ausgangslage für langwierige Verhandlungen.

Vorreiterrolle der Republik

Anstatt Diskriminierungsfälle nachzuverhandeln, würde es wesentlich mehr Sinn machen, mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit auf Maßnahmen zu lenken, die ein diskriminierungsarmes Klima fördern.

Warum ist der erste Reflex des Gesetzgebers immer ein Verbot? Die Republik muss als Arbeitgeber und Dienstleister stärker als bisher in die Vorbildrolle gehen und neue Maßstäbe setzen. Darüber hinaus können beispielsweise Förderungen stärker als bisher auch ein diskriminierungsfreies Umfeld voraussetzen: Es ist eine Sache, öffentliche Mittel gezielt einzusetzen, eine ganz andere, in die Eigentumsrechte von uns allen einzugreifen.

Dass Zivilgesellschaft funktionieren kann, zeigte der massive Aufschrei im Jänner nach dem Lokalverweis von zwei Homosexuellen in Wien. Dieser Aufschrei wird ein weit größeres Umdenken in der Gastronomie auslösen, als es jedes weitere Gesetz gegen Diskriminierung könnte.

Eine uneingeschränkt offene Gesellschaft steht nicht nur für Vielfalt, sondern auch für Vitalität. Offenheit, Vielfalt und Vitalität lassen sich nicht durch Beschlüsse herstellen und ganz sicher nicht durch gesetzliche Eingriffe und Regulierungen durchsetzen. Was es braucht, ist ein mutiges und entschlossenes Auftreten von uns allen – und zwar gegen jedwede Form der Ungleichbehandlung.

Michael Pock (*1981 in Tulln) ist Gleichbehandlungssprecher und NR.-Abg. der Neos.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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