Replik: Nein, Herr Nowak, ich werde keine Ruhe geben

Das Wahlrecht ist kein Problem zwischen Jung und Alt in der Volkspartei.

Rainer Nowak schrieb in seinem Leitartikel zum ÖVP-Parteitag (13.5.) in meine Richtung, dass im Ruhestand das Wort Ruhe vorkomme. Volkstümlich: „Schleich di, Oida!“ Ich bin beim Parteitag nämlich gegen den Vorschlag der Jungen VP eines „minderheitsfreundlichen Mehrheitswahlrechts“ aufgetreten. Der Vorschlag wurde daraufhin abgelehnt. Lieber Herr Nowak: Ich gebe keine Ruhe! Wann immer ich überzeugt bin, meine Partei vor einem Fehler bewahren zu müssen, werde ich handeln.

Nowak bezeichnet mich als verdienten Altpolitiker: Falsch! Ich bin zwar ein Alt-Nationalrat, aber seit meiner ersten Wahl 1970 in ein öffentliches Amt bin ich Politiker. Älterer Politiker, stimmt, aber kein Altpolitiker. Der Unterschied zu früher: Ich bin ausschließlich im Ehrenamt, also ohne jedes Entgelt und Mandat tätig.

Das Wahlrecht ist kein Problem zwischen Jung und Alt, und schon gar nicht ein Konflikt mit Sebastian Kurz. Viele der jungen Ideen zum Programm habe ich unterstützt. Ich war federführend beim Verankern von mehr Frauenrechten in Programm und Statut, die Chefin der ÖVP-Frauen hat mir auf dem Parteitag öffentlich dafür gedankt. So viel zum Nichtzulassen neuer Ideen!

Es geht um Gerechtigkeit

Es geht um den Ausdruck des Wählerwillens, um Gerechtigkeit, Demokratie, Klugheit. Das Wahlrecht soll chancengerecht sein und zu entscheidungsfähigen Regierungen führen. Unser Verhältniswahlrecht bringe nur die Zwangsehe zwischen Rot und Schwarz, und damit zu wenig zustande, sagen die Kritiker. Die Aufsplitterung der Parteienlandschaft lasse kein anderes Modell zu, daher müsse das Wahlrecht geändert werden.

Vorbild sind Großbritannien und Frankreich. Beide Modelle bringen homogene, damit entscheidungsfähige Regierungen. Kleinere Parteien bleiben in beiden Systemen auf der Strecke, neue Parteien haben es schwer. Das Mehrheitswahlrecht kann gar nicht minderheitsfreundlich sein. Daher hat die JVP kein solches Wahlrecht vorgeschlagen, sondern ein mehrheitsförderndes Wahlrecht. Die relativ stärkste Partei erhält auf Kosten der anderen Parteien zusätzlich so viele Mandate, dass sie gerade ein Mandat weniger als die Mehrheit im Nationalrat hat.

Keine elegante Intrige

Was also der Wähler nicht gibt, gibt die Verfassung. Der Gleichheitssatz wird durchbrochen. Sachkundige können dem Modell wenig abgewinnen. Entscheidungsfähigere Regierungen? Nein, eine Koalition mit einer Partei ist nötig. Minderheitsfreundlich? Nein, zuerst beraubt es die kleineren Parteien, und gewährt dann einer einzigen ein oder zwei Minister. Zu bloßen Mehrheitsbeschaffern herabgewürdigt, werden sie bei der nächsten Wahl abgestraft – siehe das Schicksal der britischen Liberalen.

Plastisch bezeichnete ich den Vorschlag der JVP als Wunsch nach einem „heißen Eislutscher“! Das Vorbild der JVP war Italien – dort gab es das Bonussystem – der Volksmund bezeichnete es als „Schweinerei“. Es war erfolglos, ungerecht, unverstanden und wurde gerade abgeschafft. Und wir sollten das ohne Not wagen?

Ich habe die Mängel aufgezeigt: Ungerechtigkeit gegenüber kleineren Parteien und große Risiken. Das Heilmittel gegen die Unzufriedenheit mit unserer Regierung kann nicht ein Wahlrechtstrick sein, sondern bessere Politik.

Von den Älteren wird Teilnahme und Teilhabe eingefordert: Sie sollen ihren Erfahrungsschatz einbringen und mitgestalten. Dieser Aufforderung bin ich in offener Diskussion und nicht mit eleganter Intrige nachgekommen. Ich werde das auch weiterhin tun!

Univ.-Prof. Andreas Khol war von 2002 bis 2006 Präsident des Nationalrats.
Seit 2005 ist er Obmann des
Österreichischen Seniorenbundes.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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