Das verordnete (Frauen-)Bild in der Werbung

Warum glauben Politiker immer zu wissen, was gut für die Menschen ist?

Werbung ist eine geschönte Welt. Lustig, nervig, perfekt, hässlich, alles Mögliche, und das alles, um zu verkaufen. Jedes Kind weiß das. Nur unsere Politiker anscheinend nicht: Die machen sich Sorgen um den schlechten Einfluss. Deshalb müssen wir geschützt werden. Es geht um unser Wohl. Aber ich fühle mich damit immer unwohler.

Ich mag Werbung. Ich arbeite seit über 25 Jahren in der Werbung und mag den Job noch immer. Was nicht heißt, dass ich ihn immer mag. Und ich mag auch nicht jede Werbung. Manche ist dumm, manche genial. Ich kann sie ignorieren, das Produkt meiden. Das ist meine Antwort und die Antwort einer großen Mehrheit auf schlechte Werbung. Aber das reicht anscheinend nicht. Die Politik hat hier ein Aufgabenfeld entdeckt.

In England wurde Yves St. Laurent von der britischen Behörde zur Überwachung der Werbung für eine Anzeige im Modemagazin „Elle“ gerügt. Weil das abgebildete Model „unnatürlich dünn und ungesund“ aussieht. In Frankreich und Israel ist das Präsentieren von Magermodels verboten. Der Body-Mass-Index (BMI) von Models darf nicht unter 18,5 liegen.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek arbeitet an einer ähnlichen Verordnung, die Agenturen untersagt, zu dünne Models anzustellen. Sie wünscht sich eine Kennzeichnung bildbearbeiteter Frauenkörper. Das Ampelsystem: ein grüner Punkt für leichte, rot für grobe Veränderung. Ampeln sind der neue Renner im Kampf gegen Essstörungen und Diskriminierung.

Selbst ernannte Sittenwächter

Modeln ist ein Extremjob. Ähnlich wie Spitzensportler oder Schauspieler (wann kommen hier BMI-Ober- und Untergrenzen?). Eine oder einer von 100 bringt das Talent mit. Davon hat ein Bruchteil das Durchhaltevermögen und das Quantum Glück. Jaja, ich weiß, dünne Models von Plakaten und Magazinen üben Druck aus. Vor allem auf junge Menschen. Aber da müssen wir durch. Jeder und jede Einzelne. Ruft ihnen zu: Hey, das ist ein überhöhtes Bild und kein Abbild der Realität! Aber hört auf, noch mehr Vorschriften zu machen. Die braucht keiner. Mit Ausnahme selbst ernannter Sittenwächter, die nicht genehme Werbung aus dem Verkehr ziehen.

Zurück in die 1950er-Jahre

In Berlin-Kreuzberg soll sexistische und frauenfeindliche Werbung verboten werden. Das ist eh lieb. Ich meine, kein halbwegs vernünftiger Mensch ist für sexistische, frauenfeindliche Werbung. Der Hund liegt aber in der Durchführung begraben. Was ist „frauenfeindliche Werbung“? Darüber urteilt eine Arbeitsgruppe. Geht es nach dieser, dürfen abgebildete Frauen nicht mehr „körperbetont gekleidet“ sein – hier sind sie, die guten alten Sitten der 1950er. Frauen dürfen nicht „ohne Anlass lächeln“, als „dumm“ oder „naiv“ dargestellt werden. Solche Rollen sind künftig für Männer reserviert. Oder bekommen die auch besonderen Schutz? Das stelle ich mir langweilig vor und unheimlich. Nur noch starke, nicht lächelnde, BMI-normierte Menschen.

Wer solche Maßnahmen setzt, stellt Frauen als hilfsbedürftig und schwach hin. Also genau das, was sie vorgeben damit zu verhindern. Frauen und Männer können sich selber wehren. Wenn's ihnen nicht gefällt, was ihnen die Werbung vorsetzt, wenden sie sich ab. Ein Gegentrend entsteht. Dove zeigt es seit Jahren vor. Ganz ohne gesetzliche Verordnung. Und sie haben damit Erfolg, weil sie einen Nerv treffen. Politikern fehlt dieser Instinkt zunehmend. Sie glauben zu wissen, was gut für die Menschen ist. Dabei wäre es so einfach: Lasst die Menschen selbst entscheiden, was gut oder nicht gut ist für sie. Man nennt das Demokratie.

Günter Klinger arbeitet seit 1989 in der Werbung als Texter und Creative Director für verschiedene Agenturen und ist Mitglied beim Creativ Club Austria (CCA).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.