„Journalistisches Partisanentum“

Ansicht des Gebäudes des IHS, Institut für höhere Studien
Ansicht des Gebäudes des IHS, Institut für höhere Studien(c) Clemens Fabry (Presse)
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„Kordikonomy“ und die unfaire Polemik gegen Sigurd Höllingers Konzept zur Reform des Instituts für Höhere Studien.

Wenn der Spieltheoretiker Klaus Ritzberger in der Rubrik „Kordikonomy“ am 11. Juli (in impliziter Solidarität seitens der Redakteurin gefeatured) gegen das Reformkonzept von Sigurd Höllinger, interimistischer Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) und Soziologe, polemisiert, dann sollte – der intellektuellen Redlichkeit einer Qualitätszeitung geschuldet – die nassforsche Einseitigkeit der zitierten Kritik an dem in der heimischen Wissenschaftspolitik verdienten, ehemaligen Sektionschef Höllinger nicht ohne Ergänzung in der Sache für die „Presse“-Leser stehen bleiben.

Welches der beiden sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute Wifo und IHS ideologisch links oder rechts wäre, spielt weniger in der breiten Öffentlichkeit, als mehr in den Köpfen von im Proporz verhafteten Scholaren (Wirtschaftsfunktionären, Journalisten, etc.) eine Rolle. Zumal, wenn deren (wissenschaftlicher) Ethos – wie nicht selten in Österreich – durch parteipolitisch zweckrationales Karrieredenken unterwandert wurde.

Neuaufstellung des IHS

Die vorgeblich bemühte (wirtschafts-)wissenschaftliche Kompetenz des Autors einer sechsseitigen Streitschrift gegen das im Artikel auszugsweise zitierte Reformkonzept und der dem Soziologen Höllinger in ehrenrühriger Weise unterstellte Verdacht, mit seiner Konzeption ein „Forum für Ideologien“ schaffen zu wollen, weil vorgesehen ist, die bisher im ökonomischen Department ressortierenden Forscher (50) thematischen Arbeitsgruppen zuzuordnen, scheint nur insoweit valide, als dass Vorhalte aus einem auf nicht kooperative Spieltheorie spezialisierten Denken eben Ritzbergers Kalkül abbilden – nicht aber die Intention des Reformkonzepts.

Vielmehr folgt die organisatorische Neuaufstellung des überwiegend staatlich finanzierten IHS der forschungsökonomisch gebotenen Tendenz, Drittmittel aus interdisziplinär besetzen und international/europäisch orientierten Forschungsprogrammen einzuwerben. So wie das bei den genannten sozioökonomischen Themenbereichen Gesundheit, Arbeitsmarkt, Bildung, Europäische Integration für einen EU-Mitgliedstaat zweckmäßig ist – und das gerade für Ökonomen einsichtig sein sollte.

Die blinden Flecken der Zunft

Allerdings begleiten Defizite bei empirischen (Haupt-)Gütekriterien die deduktiv orientierte Wirtschaftswissenschaft, seit sie ihre auf quantitative Ergebnisse abzielenden Methoden von der empirischen Erforschung sozialer Rahmenbedingungen losgelöst hat.

Ritzbergers Zorn müsste eigentlich auf die blinden Flecken seiner eigenen Zunft gerichtet sein: Nach Effizienzkriterien reorganisierte außeruniversitäre Großforschung braucht anscheinend weder „erfolgreiche Ökonomen“, die – im stillen Kämmerlein? – mathematische Spekulationen über soziopathisches Verhalten anstellen, noch ein für die Erstellung einer nationalen Konjunkturprognose überdimensioniertes Ökonomie-Department. Letzteres könnte ja – neben dem Wifo – auch das der Industrie nahestehende Kleininstitut Eco Austria schaffen.

Verzichtbar ist letztlich auch (wirtschafts)journalistisches Partisanentum, wenn – wie in der Rubrik Kordikonomy abschließend – ein medial gehypter und einem schwarzen Landeshauptmann gefälliger junger Ökonomieprofessor als Anwärter auf die Höllinger-Nachfolge positioniert wird. Und damit an der Favoritenrolle des international anerkannten, auf Sozialpolitik spezialisierten Ökonomen und WU-Rektors, Christoph Badelt, Zweifel geweckt werden sollten.

Mag. Dr. Bernhard Martin war Redakteur einer Wirtschaftstageszeitung und ist Redaktionsmitglied des unabhängigen sozialwissenschaftlichen Magazins
„Soziologie heute“.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2015)

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