Sagt es endlich: Transferunion wird kommen müssen!

Wie soll man 19 ungleiche Volkswirtschaften denn zusammenhalten?

Wie kann es sein, dass selbst unter Ökonomen keine Einigkeit darüber herrscht, wie es mit Griechenland am besten weitergehen soll? Gemeint sind hier die zentralen Fragen wie Grexit ja/nein oder Schuldenschnitt ja/nein – von den Details erst gar nicht zu reden.

Der Grund ist, dass die Lösungsvorschläge der Ökonomen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erfolgen. Auf der einen Seite stehen jene, die bei ihren Lösungen vor allem die Angebotsseite einer Volkswirtschaft im Fokus haben. Für sie muss Griechenland schlicht wettbewerbsfähiger werden, die Lösung ist damit auch klar: Produktivität rauf, Löhne runter – oder Grexit samt Abwertung.

Auf der anderen Seite stehen jene Ökonomen, bei denen die Nachfrageseite im Zentrum steht. Sie argumentieren, dass die fehlende Nachfrage nach griechischen Produkten das Problem sei. Würde diese erhöht werden, wäre dies zumindest ein Teil der Lösung. In logischer Konsequenz daraus ist auch das Spardiktat der falsche Weg, weil eine Verschlankung des öffentlichen Diensts, eine höhere Mehrwertsteuer, eine Kürzung der Pensionen und eine stärkere Belastung der Einkommen – weil all das die Nachfrage weiter reduziert und damit die Lage weiter verschärft.

Schon ein alter Hut

Dass es dabei über die Währungsunion heißt, dass diese von Anfang an einen Geburtsfehler hat, ist zunächst einmal dumm, da einer Lösung wenig zuträglich. Vielmehr ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass es auf ein und dieselbe Frage zwei Sichtweisen gibt. Unter Ökonomen ist es dabei ein alter Hut, dass eine Währungsunion auf Dauer nur dann funktioniert, wenn einige wenige Hausaufgaben gemacht sind.

Die erste betrifft den Arbeitsmarkt. Dort müssen die Löhne flexibel und die Arbeitskräfte mobil sein. Nur so kann sich eine Volkswirtschaft bei einem Schock – wie gerade Griechenland – anpassen. Zweitens hilft es, wenn es ein zentralisiertes Budget gibt. Etwa ein EU-Budget, aus dem einzelne Länder entweder automatisch Transfers erhalten oder netto einzahlen. Ganz so, wie wir es in Österreich schon lange haben – einzelne Bundesländer sind Nettoempfänger, andere Nettozahler.

Regeln, an die sich alle halten

Auch eine gemeinsame Euro-Anleihe ist so ein Ausgleichsmechanismus. Denn auf sie gäbe es einen Durchschnittszins, der sich aus der Zusammenfassung von Ländern hoher, mittlerer und niedriger Bonität ergibt. Letztere würden davon profitieren, auf Kosten ersterer.

Letztlich braucht es auch ein paar Regeln, an die sich alle halten. Dass Deutschland heute so stark auf die Einhaltung von Regeln pocht, selbst aber bei erstbester Gelegenheit mit Frankreich die Maastricht-Kriterien verletzt hat, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion beinahe skurril.

Also: Eine Währungsunion von so unterschiedlichen Ländern braucht auf Dauer auch eine politische Union und ein paar Regeln, an die sich wirklich alle halten.

Nur ist die Frage: Was kommt zuerst? Bildet man zuerst eine Währungsunion und macht dann seine Hausaufgaben? Oder macht man zuerst die Hausaufgaben und bildet dann als krönenden Abschluss eine Währungsunion?

Antworten Sie selbst darauf: Hätten Sie der Euro-Einführung zugestimmt, wenn Sie gewusst hätten, dass damit Österreich auf unabsehbare Zeit zum Nettozahler innerhalb der Währungsunion wird? Eben. Will man aber so unterschiedliche Volkswirtschaften wie die 19 Euroländer in einer Währungsunion zusammenhalten, dann wird es nicht anders gehen. Nur, zu sagen traut sich das keiner!

Dr. Stefan D. Haigner ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW), einer privaten Forschungseinrichtung, mit Sitz in Innsbruck. Daneben lehrt er an Unis und Fachhochschulen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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