Medienvielfalt und ORF neu finanzieren

Unabhängige und qualitätsvolle Inhalte sind für Demokratie und Kultur systemrelevant.

Anlässlich des Todes von ORF-Legende und Österreich-Ikone Gerd Bacher wurde viel über seine Lebensleistung, den ORF als unabhängige und qualitätsvolle „Zentralanstalt für österreichische Identität“ zu formen und etablieren, gesprochen und geschrieben. Als „Tiger“ Bacher die größte Orgel der Republik 1994 verließ, gab er die Parole aus, der ORF müsse den Weg vom „Monopol zum Marktführer“ gehen. Die Konkurrenz durch eine Vielzahl deutschsprachiger Anbieter war schon damals groß und ist heute durch die technischen/digitalen Möglichkeiten um ein Vielfaches größer.

Dennoch gilt der öffentlich-rechtliche Auftrag, Marktführer mit einem gegenüber deutschen Privatsendern unverwechselbaren Programm und hoher österreichischer Wertschöpfung, sprich Sendeinhalten und Produktionen, zu sein, nach wie vor, ja wahrscheinlich mehr denn je. Denn in einem Zeitalter der Info- und Unterhaltungsschwemme und der Gefahr zunehmender Boulevardisierung und Beliebigkeit ist qualitätsvolle und unabhängige Orientierung besonders wichtig.

Pluralität und Qualität der Medien ist für die Demokratie schlicht und einfach systemrelevant – und das ist nicht kostenlos zu haben, wenngleich es aber auch nur einen Bruchteil dessen erfordert, was für die Rettung angeblich systemrelevanter Banken aufgewendet wird.

Um seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen zu können, braucht der ORF eine „Entwicklungsgarantie“, so wie es das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem Urteil für ARD und ZDF formuliert hat. Nur wenn der ORF fairen Zugang hat – zu Internet, Social Media, TV-Theken, Apps und was eventuell noch alles kommen mag –, wird er auch künftig diesen Auftrag erfüllen können – natürlich mit Regeln, die nicht zu weiteren Verwerfungen in der ohnehin fragilen österreichischen Medienlandschaft führen.

Immer mehr Menschen hören Radio und sehen fern über PCs, Laptops, Tabletts und Smartphones. Das soll nun nach einem oberstgerichtlichen Urteil gebührenfrei sein. Hier ist – wenn österreichische Identität nicht nur in Sonntagsreden als kultur- und demokratiepolitscher Wert gelten soll – ein Umdenken von einer Radio- und TV-Gerätegebühr zu einer Haushaltsabgabe geboten, die übrigens in Deutschland schon eingeführt worden ist und in der Schweiz, wenn auch knapp, in einer Volksabstimmung die Mehrheit gefunden hat.

Große österreichische Lösung

Mit einer indexierten Haushaltsabgabe hätte auch das dauernde Gefeilsche um Gebührenerhöhungen und Gebührenbefreiungen und deren Refundierung ein Ende, und es könnte eine große Lösung für die österreichischen Medien gefunden werden, indem zu einem gewissen Prozentsatz auch Zeitungen und private Radio-, TV-, Film- und Digitalinhalte mitfinanziert werden. Die gegenwärtige Presseförderung ist ja auch im Vergleich zu den Inseraten gewisser Ministerien oder der Stadt Wien samt affiliierten Unternehmen schändlich und provokant niedrig, jedenfalls vom demokratiepolitischen Standpunkt aus äußerst bedenklich. Insgesamt müsste die Haushaltsabgabe als eine Art von Demokratie- und Kulturabgabe nicht höher als die TV-und Radiogebühr sein.

Und natürlich muss der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag besser erfüllen als bisher, etwa: Mehr Mittel für den sich mit kleinstem Budget sensationell entwickelnden ORFIII, stärkere Besinnung auf die Landesstudios und die Regionalität – nicht zu verwechseln mit Provinzialität – als die eigentliche Antwort auf die Globalisierung, mehr und bessere Sendeplätze für österreichische Produktionen. Gemeinsam könnten somit Österreichs Medien und Politik eine Antwort auf die Herausforderung durch Google, YouTube und Co. geben.

Der Autor war Bundesratspräsident (ÖVP), ist ORF-Stitftungsrat und Generalsekretär der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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