Strukturwandel überfällig

Die österreichischen Banken müssen ihre Hausaufgaben machen, sonst verlieren sie den Anschluss an Westeuropa.

Wenn Österreicher im Ausland unterwegs sind, kann es sein, dass sie eine gewisse Leere verspüren – eine Leere an Bankfilialen. Denn so viele Filialen wie zu Hause werden sie in kaum einem anderen Land Europas finden. Österreich hat die zweithöchste Filialdichte des Kontinents; auf eine Million Einwohner kommen 511 Filialen. Doch was nach Luxus für die heimischen Bankkunden klingt, ist in Wahrheit eine der wesentlichen Belastungen für die Branche.

Österreichs Banken müssen handeln. Sonst verlieren sie weiter an Wettbewerbsfähigkeit in Europa. Ihre durchschnittliche Eigenkapitalrendite lag in den vergangenen fünf Jahren bei 0,1 Prozent – und damit am unteren Ende in der Eurozone. Lediglich Italien, Spanien und Portugal schneiden noch schlechter ab. Nullrenditen sind aber hochgefährlich, denn Banken können so ihre Kapitalkosten nicht mehr verdienen. Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen immer schwieriger.

Bei der absoluten Höhe der Bankenabgabe nimmt Österreich in Europa einen Spitzenplatz ein – so hoch wie in Deutschland, dessen Markt allerdings acht- bis neunmal so groß ist. Hinzu kommen die höheren Refinanzierungskosten durch die Restrukturierungen von Hypo Alpe Adria und Heta sowie die Niedrigzinspolitik der EZB, die den Margendruck verschärft. Nicht zuletzt belasten heute die Folgen des jahrelang boomenden Osteuropageschäfts.

Erträge werden weiter sinken

Steigende regulatorische Anforderungen verursachen mehr Kosten, und durch die Digitalisierung wird dem klassischen Filialbetrieb mittelfristig starke Konkurrenz erwachsen. Prognosen der Boston Consulting Group zeigen: Die Erträge im Privatkundengeschäft werden in den nächsten fünf Jahren jeweils um 0,5 Prozent sinken. Zudem ist ein Ende der Niedrigzinsphase nicht absehbar. Die Risikokosten im Kreditgeschäft könnten wieder steigen.

Tatsache ist: Heimische Banken haben viele Baustellen. Die Kosten sind in den vergangenen fünf Jahren ohne Bankenabgabe um 3,3 Prozent jährlich gestiegen. Damit ist Österreich Spitzenreiter.

Die Bankensektoren in anderen Ländern haben ihre Kosten im gleichen Zeitraum zumeist erfolgreich gesenkt. Ein Grund: Die Zahl der Filialen in Österreich ist seit 2006 um zwei Prozent gestiegen, während sie in anderen europäischen Märkten um bis zu einem Drittel geschrumpft ist.

Wohin mangelnder Strukturwandel führt, zeigt das Beispiel Japan: Das Land ist seit 20 Jahren gezeichnet von Nullzinsen, Nullinflation, Nullwachstum. Die Ursachen: verschleppte faule Kredite durch den Immobilienboom der 1980er-Jahre; eine alternde Gesellschaft, die spart, aber wenig konsumiert und investiert. Die Folge ist, dass die Hälfte der Geldinstitute verschwunden ist – nur drei von den ehemaligen zehn Topbanken existieren noch.

Natürlich ist Österreich nicht Japan. Aber auch bei uns ist makroökonomisch kein Rückenwind zu erwarten und die Gesellschaft altert – mit der Konsequenz, dass es noch mehr Spareinlagen und weniger Kredite für Investitionen gibt.

Dr. Christian Krammer ist Senior Partner und Mitglied der europäischen Geschäftsführung von The Boston Consulting Group sowie Leiter der Banking Practice in Österreich/CEE. Dr. Holger Sachse ist Partner im Wiener Büro von Boston Consulting Group.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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