Der permanente Griff nach der Familienschatzkiste

Familienlastenausgleichsfonds weckt immer neue Begehrlichkeiten.

Sie ist die Schatzkiste der Familien im Staatssäckel: In jedem Budget gibt es einen Topf mit Geld für die Familien. Dieser sogenannte Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) wurde vor 60 Jahren von einer Politikergeneration eingerichtet, der die Angst vor einer kurzsichtigen Politik noch in den Knochen steckte. Sie wusste, dass Kinder im politischen Alltag keine Stimme haben und schufen daher dieses Instrument.

Die Arbeitnehmerschaft verzichtete 1955 einmalig auf eine Lohnerhöhung, fortan kamen sechs Prozent der Bruttolohnsumme in diesen zweckgebundenen Fonds. Die Auszahlungslogik wurde klar festgelegt: Es geht um die Umverteilung der Mittel von Menschen, die derzeit nicht für Kinder zu sorgen haben, zu jenen, die derzeit für Kinder sorgen. Heute werden Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Schulfreifahrt, Schulbücher (eigentlich eine Bildungsleistung), Mutter-Kind-Pass (eigentlich eine Gesundheitsleistung) und Elternbildung finanziert.

Schatzkisten ziehen magisch jede Art von Räubern an. So war und ist es auch beim Flaf. Als Ende der 1970er-Jahre steigende Arbeitslosenzahlen die Budgets explodieren ließen, wurden plötzlich die Karenzzeiten der erwerbstätigen Mütter aus dem Flaf bezahlt.

Flaf gilt für alle Eltern

Ein spektakulärer ausgabenseitiger Coup, der aber nach 20 Jahren Kampf durch die Einführung des Kinderbetreuungsgelds familienpolitisch adäquat beantwortet werden konnte. Es war völlig systemwidrig gewesen, dass nur erwerbstätige Eltern Karenzleistungen beziehen konnten, wenn die Auszahlungslogik des Flaf immer für alle Eltern gilt. Es gibt Politiker, die noch nicht verstanden haben, dass Familienarbeit eine Leistung ist, die viel Know-how braucht und gesellschaftlich relevant ist. Ende der 1990er-Jahre hatte übrigens auch der Verfassungsgerichtshof klargestellt, dass für Kinder zu sorgen keine Privatangelegenheit ist. Eine einnahmenseitige Inkonsequenz ist, das Gemeinden, Länder und Bund für ihre Arbeitnehmerschaft nicht einzahlen, obwohl sie Familienleistungen erhalten.

Keine Inflationsanpassung

Der aktuelle Beutezug verläuft ebenfalls einnahmenseitig: Um Lohnnebenkosten zu senken, muss der Flaf ab 2018 mit 920 Millionen Euro weniger auskommen. In Zukunft stehen nicht mehr 4,5 Prozent der Bruttolohnsumme den Familien mit Kindern zur Verfügung, sondern nur noch 3,8 Prozent. Zum Vergleich: Für die Pensionen stehen 22,8 Prozent der Bruttolohnsumme zur Verfügung.

Das Ergebnis reiht sich nahtlos in bisherige Erfahrungen ein: Familienleistungen werden auch in Zukunft kaum je an die Inflation angepasst werden. Was bei Parteienförderungen oder Pensionen selbstverständlich ist, muss in der Familienpolitik mühsam erkämpft werden. Faktum ist: Wir haben in den letzten 14 Jahren einen Kaufkraftverlust bei der Familienbeihilfe von 38 Prozent, jetzt wurde sie um vier Prozent angehoben. Kinderfreundliche und generationengerechte Politik schaut anders aus.

Als Familienpolitiker bekämpfen wir nicht die Lohnnebenkostensenkung, sondern die nachhaltige Beschädigung des wertvollsten familienpolitischen Finanzinstruments. Wir wünschen uns eine wertsteigerungssichere Finanzierungsquelle, die von der gleichen Ernsthaftigkeit getragen ist wie die Wertsicherung der Pensionen. Wir könnten auch kreativ denken: Wie wäre es, etwa umweltschädigendes Verhalten stärker zu besteuern und die Gelder dem Flaf zu widmen? Sichern wir gemeinsam das Geld für unsere Kinder!

Irene Kernthaler-Moser ist bereits seit 1996 mit Familienpolitik befasst: Sie war sieben Jahre lang Pressesprecherin des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Seit 2005 ist sie Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbands.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.