Die GBK: Angewandte Inquisition

Wir leben in einem Rechtsstaat. Oder doch nicht? Gleichbehandlungsverfahren sind anders.

Sie wissen nicht, was sich hinter den drei Buchstaben „GBK“ verbirgt? Sind Sie Dienstgeber, können Sie froh sein. Sind Sie aber Dienstnehmer, dann heißt „GBK“ für Sie das ideale Mittel, einerseits einer drohenden Kündigung gegenzusteuern und andererseits bei der Gelegenheit Ihrem Dienstgeber ganz ordentlich Saures zu geben. Das Schöne dabei: Er kann sich nicht wehren. Denn gegen das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission war die Heilige Inquisition „gar nix“. Aber der Reihe nach:

Sie sind DienstnehmerIn, ahnen, dass Sie gekündigt werden sollen und haben – sei es deswegen oder aus anderen Gründen – einen ordentlichen Pick auf Ihren (möglichst gegengeschlechtlichen) Dienstgeber? Wussten Sie, dass eine Kündigung rechtswidrig ist, wenn Sie deswegen ausgesprochen wird, weil Sie sich wegen behaupteter Diskriminierung am Arbeitsplatz an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt haben? Dämmert Ihnen schon etwas? Genau: Sie erfinden ein paar Geschichten, die von herabsetzenden Bemerkungen Ihres Dienstgebers bis zu sexuellen Annäherungsversuchen reichen und sprechen damit bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft vor. Diese legt die Sache der Gleichbehandlungskommission vor, die Ihren Dienstgeber zu einer Verhandlung zitiert.

Die Uhren ticken anders

Dieser, rechtsförmige Verfahren gewohnt, macht sich wenig Sorgen, kann er doch durch zahlreiche Zeugen sowie schriftliche Unterlagen beweisen, dass Ihre Anschuldigungen nicht nur eine bloße Erfindung sind, sondern auch, dass er seinen Entschluss, Sie zu kündigen, viele Monate schon, bevor Sie ihm mit der GBK gekommen sind, verkündet hatte. Als er den Verhandlungssaal im Bundeskanzleramt betritt, wird ihm schon einmal klar, dass hier die Uhren anders ticken. Während Delikte wie Vergewaltigung vor einem Berufsrichter und zwei Schöffen abgehandelt werden und selbst der brutalste Völkermord mit drei Berufsrichtern und acht Geschworenen auskommt, trommelt der Staat hier eine zwölfköpfige Corona, entsandt von Sozialpartnern, Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium, zusammen.

Ohne zu wissen, wer diese Personen sind, die hier an einem langen Tisch sitzen, lässt Ihr Dienstgeber Fragen über sich ergehen wie nach seiner grundsätzlichen Einstellung zur Väterkarenz, und es dämmert ihm schon: Die trauen ihm diese Schweinereien tatsächlich zu. Wenig später erhält er das „Prüfungsergebnis“ frei Haus: Ja, Sie wurden diskriminiert, benachteiligt und sexuell belästigt. Gewonnen! Die unwiderlegbare Begründung. „Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass Ihre Vorwürfe jeder Grundlage entbehren würden.“

Sie machen sich Sorgen, ob Ihr Dienstgeber das Ergebnis anfechten kann? Kann er nicht. Ob er überprüfen kann, welche Fragen seinen von ihm benannten Zeugen gestellt wurden (er selbst oder sein Anwalt durfte bei deren Vernehmung nicht dabei sein)? Kann er nicht. Ob er wenigstens erfahren kann, welche seiner Zeugen vernommen wurden? Kann er nicht. (Und sie wurden auch nicht.) Ob er ein Protokoll der ganzen Verhandlung bekommt? Bekommt er nicht. Ihm wurden ja schon Ihre Vorwürfe nur indirekt, über die Gleichbehandlungsanwaltschaft, vermittelt, und Sie brauchten sich auch keiner unangenehmen Befragung durch ihn oder seinen Anwalt stellen. Der Triumph ist ganz auf Ihrer Seite: Zu seinem Erstaunen werden ihm nun Dinge vorgeworfen, von denen er überhaupt zum ersten Mal hört (wie etwa eine sexuelle Belästigung in einem Büro, in dem er in seinem Leben nie war), er wird zur Leistung von Schadenersatz aufgefordert und unter anderem zur Zurücknahme „verleumdender Aussagen“ (auch dies ein Vorwurf, der ihm bis dahin nie gemacht wurde und der nur von der Rechtsunkenntnis des Senats zeugt), und, ja, natürlich hat Ihr Dienstgeber Sie nur deswegen gekündigt, weil Sie sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt haben.

Wo bleibt der Rechtsstaat?

Mit diesem „Prüfungsergebnis“ können Sie schon einiges anfangen: Arbeitskollegen, Geschäftspartner oder Subventionsgeber Ihres Dienstgebers oder auf Skandale lauernde Journalisten interessieren sich mit Garantie für dieses „Prüfungsergebnis“. Dass es auf einem Verfahren beruht, das den grundlegenden Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention Hohn spricht, braucht Sie nicht zu kümmern. Ob Sie damit auch schon Ihre Kündigungsanfechtung vor dem Arbeitsgericht gewonnen haben, steht zwar auf einem anderen Blatt, ist aber halb so wichtig: Ihrem Dienstgeber haben Sie jedenfalls gezeigt, wo er sich seinen Glauben an den Rechtsstaat hinstecken kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2009)

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