Arabischer Kampf gegen Terror richtet sich gegen Schiiten

Golfstaaten und Arabische Liga erklärten Hisbollah zur Terrororganisation.

Die EU und ihre Mitglieder stehen der permanenten terroristischen Bedrohung momentan etwas ratlos gegenüber. Während man dabei auf mehr Engagement der Geheimdienste und die Unterstützung arabischer Verbündeter hofft, verstehen Letztere unter Kampf gegen Terrorismus mitunter etwas anderes: Zuletzt haben sie die Hisbollah zur Terrororganisation erklärt. Doch damit heizen die arabischen Regierungen den konfessionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten weiter an und stärken das Fundament des Jihadismus.

Die Frage, ob die Hisbollah eine Terrororganisation ist oder nicht, ist weniger eine moralische als vielmehr eine politische. Die Organisation hat sich auf Drängen des Iran seit ihrem Bestehen als Interessenvertretung der politisch und ökonomisch marginalisierten Schiiten im Libanon etabliert. Landesweit profiliert hat sich die Hisbollah als militärisches Gegengewicht zum israelischen Interventionismus. Aus israelischer und amerikanischer Sicht ist sie daher als Terrororganisation stigmatisiert, von arabischer Seite wurde sie gefeiert. In der ersten Märzhälfte aber haben die Golfstaaten und die Arabische Liga die Hisbollah zur Terrororganisation erklärt.

Furcht vor Dominanzverlust

Nachdem mit dem Sturz Saddam Husseins die Diskriminierung der schiitischen Mehrheit beendet wurde, tritt der Irak neben dem Iran und Syrien als dritter nicht sunnitisch regierter Staat auf der politischen Landkarte auf. Dazu kommt, dass der Libanon seit wenigen Jahren von einer Koalition unter Führung der schiitischen Hisbollah regiert wird. Die Golfstaaten unter der Führung Saudiarabiens fürchten nun immer mehr den Verlust der politischen Dominanz der Sunniten im Nahen Osten. Zur Eindämmung des politischen Einflusses der Schiiten fördert Saudiarabien seit der iranischen Revolution 1979 die Verbreitung des Salafismus und seit 2005 gemeinsam mit anderen Ländern wie Katar auch finanziell und militärisch den Jihadismus. So ist etwa die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein Produkt solcher jahrelanger Unterstützung aus der arabischen Welt, das die nicht sunnitischen Regierungen in Damaskus und Bagdad unter Druck setzt – neuerdings aber auch Europa.

Wertvolle Dienste

In diesem Licht ist auch die Weigerung der al-Azhar-Universität (wichtigste sunnitische Glaubensinstanz) zu sehen, Praktiken der IS-Miliz eindeutig zu denunzieren.

Durch die Lösung des Atomstreits mit dem Iran und dessen voranschreitende internationale Rehabilitierung fühlen sich viele sunnitische Staaten in die Ecke gedrängt. Die Brandmarkung der Hisbollah als Terrororganisation ist ein weiterer Schritt zur Legitimierung des Kampfes gegen den schiitischen Einfluss im Nahen Osten. Schließlich erweist die Hisbollah zusammen mit anderen schiitischen Milizen den Machthabern in Damaskus und Bagdad wertvolle Dienste.

Der Kampf gegen die Schiiten legitimiert aber nicht nur die sunnitischen Gotteskrieger der IS-Miliz oder der al-Qaida, sondern würde auch staatliche Militärinterventionen rechtfertigen. Erst vergangenen Dezember wurde unter der Führung von Saudiarabien eine islamische Allianz gegen den Terrorismus gegründet.

Zum nächsten Leidtragenden dieser Entwicklungen könnte der Libanon werden, dem Saudiarabien bereits zugesagte Subventionen unlängst überraschend gestrichen hat. Auch einige Handelsgeschäfte wurden wegen angeblicher Verbindungen zur Hisbollah bereits blockiert. Dabei waren gerade die Saudis nach dem Ende des libanesischen Bürgerkrieges ein wichtiger Stabilitätsgarant gewesen.

Maximilian Lakitsch ist Friedens- und Konfliktforscher an der Uni Graz und arbeitet zu Konflikttheorie, Peacebuilding sowie zum Zusammenhang von Religion und Konflikt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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