Abkommen statt Aufrüstung

Ein Jahr nach dem Kaukasus-Konflikt: Russland strebt stabile Beziehungen zu Georgien an.

Genau vor einem Jahr traf der Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, die verantwortungslose und verbrecherische Entscheidung, Südossetien militärisch anzugreifen. Dadurch machte er mit einem Schlag 17 Jahre internationale Verhandlungen, Bemühungen der Gemischten Kontrollkommission und der OSZE-Mission sowie gemeinsame Tätigkeit russischer und georgischer Friedenstruppen zunichte. Tausende Menschen verschiedener Nationalitäten gerieten in der Nacht zum 8.August 2008 unter ziellosen Beschuss georgischer Geschütze und Raketen. Im Laufe dieser blutigen Aktion wurden hunderte friedliche Bewohner Südossetiens sowie Mitglieder der Friedenstruppen umgebracht und verletzt. Heute werden diese Tatsachen praktisch von niemandem bestritten, vielleicht mit Ausnahme von Saakaschwili selbst. Die grausame Entwicklung der Ereignisse ist ausführlich dokumentiert in den mehr als 3300 beim Internationalen Strafgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebrachten Klagen von Bewohnern Südossetiens.

Nachdem die damaligen Versuche Russlands, die Handlungen Georgiens im UN-Sicherheitsrat zu verurteilen, blockiert wurden, hatte die Führung Russlands keine andere Wahl als den Aggressor zu stoppen. Die Grundlage für den völkerrechtlich legitimen Einmarsch von russischen Einheiten war gegeben durch den militärischen Überfall Georgiens auf die russischen Friedenstruppen, welche sich in Südossetien auf Basis von internationalen Abkommen und der Zustimmung von Georgien befanden. Dabei verfolgte die russische Operation ein einziges Ziel, nämlich die Aggression zu stoppen und die Möglichkeit von erneuten Überfällen zu verhindern. Der Umfang dieser Operation war dem Ausmaß der georgischen Offensive auf Südossetien absolut adäquat.

Revanchistisches Verhalten

Die erfolgte Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens durch die Russische Föderation und der Abschluss von Freundschaftsverträgen über Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe hatten das Ziel, stabile Sicherheitsgarantien für die Bevölkerung dieser Republiken zu gewährleisten und bei der Beseitigung der durch die georgische Aggression entstandenen Schäden zu helfen. Die Entwicklung der Ereignisse bestätigt, dass diese Entscheidung absolut berechtigt war. Vor dem Hintergrund des revanchistischen Verhaltens Georgiens bildet sie heute die Hauptgarantie für die Aufrechterhaltung des Friedens in der Region.

Russland hält es für prinzipiell wichtig, die notwendigen Schlussfolgerungen aus den Ereignissen im August 2008 zu ziehen. Die internationale Staatengemeinschaft kann nicht einfach so tun, als ob die georgische Führung damals nichts Besonderes angerichtet hat. Diejenigen, die Tiflis erneut aufrüsten und in Georgien Nato-Manöver durchführen, schaffen somit Voraussetzungen für neue Gewaltausbrüche im Kaukasus. Denn das ist eine direkte Aufmunterung eines Regimes, welches eine Bedrohung für die regionale Stabilität, die benachbarten Völker und sogar für die eigenen Bürger darstellt, wie die andauernden Unruhen und Protestaktionen in Tiflis zeigen. Unsere Priorität liegt dagegen in der Gewährung einer zuverlässigen Sicherheit für Abchasien und Südossetien, was in erster Linie den Abschluss von verbindlichen Abkommen über Gewaltverzicht vorsehen muss, von Georgien aber stets abgelehnt wird.

Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Durch die verantwortungslose Politik der jetzigen Führung Georgiens wurde die bis zum August 2008 noch bestehende Chance, die Beziehungen mit den Abchasen und Osseten im Rahmen eines gemeinsamen Staates zu regeln, endgültig zunichtegemacht. Natürlich werden diese Völker auch weiterhin, wie viele Jahrhunderte davor, nebeneinander leben. Deshalb gibt es auch keine Alternative zur Herstellung von gutnachbarschaftlichen Beziehungen und zur Zusammenarbeit. Dies muss jetzt jedoch auf einer anderen, nämlich zwischenstaatlichen Ebene geschehen. Das ist der einzig vernünftige Weg, zu dem Russland aufruft. Wir sind unsererseits den jahrhundertelangen Traditionen von gutnachbarschaftlichen Beziehungen mit dem georgischen Volk treu und wollen Georgien als einen stabilen, wirklich demokratischen Staat sehen, der in Frieden und Freundschaft mit seinen Nachbarn lebt.

Eine georgische Replik erscheint am Mittwoch, 12.August.

Dr. Stanislav Osadchiy ist Botschafter der Russischen Föderation in Österreich. Er hat am Moskow State Institute Internationale Beziehungen studiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2009)

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