Wie Clinton und Trump zur Wirtschaft stehen

Clintonomics versus Trumponomics: Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Präsidentschaftsbewerber divergieren. Die Demokratin liebäugelt mit Umverteilungskonzepten, der Republikaner ist wachstumsorientierter.

Wenige Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl liegt Hillary Clinton in den Meinungsumfragen auf nationaler Ebene wie auch in einigen wichtigen Swing States vor dem republikanischen Kandidaten Donald Trump. Aber noch ist nichts entschieden. Bis jetzt haben sich die Medien und die Öffentlichkeit auf die Themen Einwanderung, Terrorismus, Außenpolitik und der möglichen persönlichen Schwächen der Kandidaten konzentriert, aber wenig auf die Wirtschaftspolitik. Das ist ein ernsthaftes Versäumnis.

Nehmen wir zunächst die Staatsausgaben: Clinton befürwortet mehr Ausgaben für den Ausbau der Sozialversicherung (deren ungedeckte Schulden bereits jetzt höher als die Staatsschulden sind), kostenlosen Unterricht an öffentlichen Unis, Schuldenerleichterungen für Studenten und eine zusätzliche öffentliche Option für das Krankenversicherungsprogramm, auch bekannt als Obamacare.

Hang zum Protektionismus

Trump hingegen sagt, er wolle die Sozialversicherung so lassen, wie sie ist, Obamacare abschaffen und ersetzen sowie die Staatsausgaben effizienter und effektiver gestalten – wozu er sich allerdings nicht genauer geäußert hat.

Clinton will das US-Steuersystem progressiver machen. Insbesondere setzt sie sich für Erhöhungen der Erbschaftsteuer und der Besteuerungsrate für Großverdiener ein – was auch kleine Unternehmen trifft. Dagegen zeigt sie wenig Neigung, Unternehmenssteuern zu senken.

Trump verspricht, Einzelpersonen und US-Unternehmen niedriger zu besteuern. Die Höhe der Unternehmenssteuern beträgt in den USA momentan 35 Prozent, was der höchste Wert aller OECD-Staaten ist. Trump setzt sich dafür ein, sie auf unterdurchschnittliche 15 Prozent zu senken, wobei die Unternehmensinvestitionen im ersten Jahr vollständig abgeschrieben werden könnten.

Im Handelsbereich spricht sich Clinton nach einer Kehrtwende jetzt gegen die Transpazifische Partnerschaft aus, ein multinationales Handelsabkommen, das die Obama-Regierung mit elf anderen pazifischen Anrainerstaaten ausgehandelt hat. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann, der während seiner Präsidentschaft Freihandelsabkommen unterstützt hat, steht Clinton dem protektionistischen Flügel der Demokraten näher.

Clintons Haltung zum Handel ist nicht zu empfehlen, aber die von Trump ist noch schlimmer. Unter anderem hat er gedroht, Handelskriege gegen China und Mexiko zu führen. Und er sagt, er wolle die bestehenden US-Handelsabkommen neu aushandeln.

Dass Clinton und Trump den Arbeitnehmern der Unter- und Mittelklasse, die von der Globalisierung abgehängt wurden, eine Stimme geben wollen, ist nur verständlich. Aber die beste politische Antwort besteht nicht im Protektionismus (bei dem es noch mehr Menschen als derzeit schlechter gehen würde), sondern in der Unterstützung entlassener Arbeiter.

Geld für die Infrastruktur

Schließlich weichen Clinton und Trump bei den Themen der defizitfinanzierten Ausgaben und der Staatsschulden voneinander ab: Clintons Ausweitung der Sozialversicherung und anderer Ausgaben sowie ihre Pläne, das Obamacare-Gesundheitssystem zu vertiefen, ohne die Kosten zu begrenzen, lassen darauf schließen, dass während ihrer Präsidentschaft weiterhin große Defizite entstehen würden. Damit bleibt sie weit hinter ihrem Ehemann zurück: Bill Clinton hat in seinen letzten Jahren als Präsident mit einem von Republikanern kontrollierten Kongress zusammengearbeitet, um den Haushalt auszugleichen.

Trump hat kürzlich die Haushaltskosten seiner vorgeschlagenen Steuersenkungen reduziert, um sie stärker an die Ziele der republikanischen Gesetzgeber anzugleichen. Selbst wenn seine Steuererleichterungen bereits das erhöhte Steueraufkommen durch Wirtschaftswachstum berücksichtigen, müsste er sie immer noch mit Kontrollen der Ausgaben und insbesondere der Ansprüche aus den Sozialversicherungen koppeln. Andernfalls könnte auch eine Trump-Präsidentschaft zu ernsthaften Verschuldungsproblemen führen.

Ein Vorschlag, den die beiden Kandidaten gemeinsam haben, beinhaltet massive Ausgaben für Infrastruktur. Auch wenn dies für eine Bundesregierung teilweise angemessen ist, kann keiner der Kandidaten garantieren, dass das Geld nicht in Bürokratie oder Vetternwirtschaft versickert. Die USA können es sich nicht leisten, die exzessiven Stimulus-Ausgaben der „Spatenstichpolitik“ der Obama-Regierung zu wiederholen.

Lahmendes Wachstum

Alles in allem bevorzugt Clinton Umverteilung gegenüber Wirtschaftswachstum, während Trump wachstumsorientierter ist. Das Wachstum der USA ist von globaler Bedeutung, da es durch den Konsum und den Handel des Landes auch die Wirtschaft anderswo wachsen lässt. Aber die beiden primären Wachstumsquellen – Produktivitätszuwächse und Arbeitseinsatz – sind in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.

Die US-Wirtschaft ist nach 1945 jährlich durchschnittlich um drei Prozent gewachsen. Aber in den vergangenen zehn Jahren wurde dieser Wert nicht mehr erreicht.

Für das lahmende Produktivitätswachstum gibt es unterschiedliche Erklärungen. Der Ökonom Robert Gordon von der Northwestern University behauptet, die technologischen Innovationen trügen heute weniger zum Wirtschaftswachstum bei als die früheren Durchbrüche in den Bereichen Elektrizität, Eisenbahn, Flugverkehr und Computertechnik. Lawrence Summers von der Harvard University verweist wiederum auf die „säkulare Stagnation“, einen Begriff, der in den 1930ern von Alvin Hansen geprägt wurde, um langfristige Nachfrageschwäche und einen Mangel an profitablen Investitionsmöglichkeiten zu beschreiben. Ich meine, dass Unternehmensinvestitionen, Firmenneugründungen und der Arbeitsmarkt durch schlechte Wirtschaftspolitik beeinträchtigt wurden.

Misstrauische Wähler

Umfragen zeigen, dass unentschlossene Wähler beiden Kandidaten zutiefst misstrauen. Um gewählt zu werden und das Mandat zur Umsetzung ihrer Agenda zu bekommen, muss Clinton transparenter werden und sich zu früheren Fehlern bekennen. In der Wirtschaftspolitik sollte sie sich in die Mitte bewegen – hin zu wachstumsorientierten Maßnahmen und weg von linken Positionen. Trump wiederum muss Bescheidenheit und Integrationsfähigkeit zeigen und sich bei Themen, bei denen es ihm an Erfahrung mangelt, für Ratschläge von anderen öffnen.

Während die Republikaner sich um die Kontrolle im Senat mit den Demokraten ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern könnten, werden sie im Repräsentantenhaus wahrscheinlich die Mehrheit behalten. Daher wird es bei vielen politischen Themen auf Paul Ryan, den Sprecher des Hauses, ankommen.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate, 2016.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Michael J. Boskin

(*1945 in New York) studierte Wirtschaftswissenschaften in Berkeley. Derzeit ist er Professor für Ökonomie an der Universität Stanford und Senior Fellow der Hoover Institution. Von 1989 bis 1993 war er Chef des wirtschaftlichen Beraterstabs des damaligen amerikanischen Präsidenten, George Bush senior. [ Project Syndicate]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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