Das Instrument der Sammelklage

Eine Neuregelung von Sammelverfahren wäre sinnvoll, wenn sie zu Verbesserungen für alle Beteiligten führte.

Die Diskussion um eine gesetzliche Neuregelung von Sammelklagen nimmt in Österreich an Fahrt auf. Das liegt an der Belastung der Gerichte aufgrund zahlreicher potenziell massentauglicher Haftungsfälle (Stichwörter Kfz-Abgasskandal, Anlegerprozesse etc.).

In der durchaus gerechtfertigten Diskussion, wie Gerichte entlastet werden können, wird dabei oft der Eindruck vermittelt, es gebe keine Möglichkeit, bei Massenphänomenen gebündelt vor Gericht zu ziehen. Dies ist unrichtig. Richtig ist, dass die Zivilprozessordnung das Instrument der Sammelklage nicht namentlich nennt. Dennoch bietet sie diverse Möglichkeiten an Sammelinterventionen.

In der Praxis sticht die Sammelklage österreichischer Prägung hervor. Diesen Weg wählen häufig Verbraucherschutzorganisationen, indem sie sich Ansprüche von Verbrauchern abtreten lassen und diese dann gebündelt vor Gericht geltend machen. Das Gericht prüft zwar eingangs, ob die Ansprüche auf einem hinreichend gleichartigen tatsächlichen Grund beruhen. Ist diese Voraussetzung aber erfüllt, können auf diese Weise Ansprüche von wie vielen Personen auch immer in einer einzigen Klage – eben einer Sammelklage – geltend gemacht werden.

Verbindung von Verfahren

Daneben kann das Gericht selbst voneinander unabhängige Einzelverfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbinden, wenn eine prozessökonomische Wirkung zu erwarten ist; dies einfach dadurch, dass der Richter per Beschluss gleich gelagerte Parallelverfahren an sich zieht und gemeinsam verhandelt. Auch so kann schon jetzt ein Sammelverfahren geschaffen werden, was in der Praxis auch häufig geschieht.

Schon lange haben zudem bestimmte Verbände (VKI und AK) die gesetzliche Möglichkeit, durch Verbandsklagen unlautere Geschäftspraktiken oder Verstöße gegen das Konsumentenschutzrecht zu verfolgen, ohne persönlich davon betroffen sein zu müssen. Auch Musterklagen lässt das geltende Recht zu und räumt den bevorrechteten Verbänden einen deutlich vereinfachten Weg zum OGH ein.

Feinjustierungen erwünscht

Der letzte große Anlauf einer umfassenden Gesetzesnovelle ist vor knapp zehn Jahren gescheitert. Dass gerade in dem Bereich eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung nur schwer zu finden ist, verwundert nicht. Zum einen prallen teils völlig konträre Positionen aufeinander (Opt-in- versus Opt-out-Modelle, Rolle von Prozessfinanzierern, Aufsicht über den Gruppenkläger, etc.). Zum anderen funktionieren die derzeitigen Sammelinterventionen in der Praxis gut, da sich diese aus dem zivilprozessualen Gesamtsystem entwickelt haben und sich entsprechend harmonisch in dieses einfügen.

Weitreichende Änderungen sind daher nicht nur nicht erforderlich, sondern bergen das Risiko, die fein austarierte Balance der Interessen zwischen Kläger- und Beklagtenseite ins Wanken zu bringen. Man darf dabei nicht ignorieren, welches massive Erpressungspotenzial von überschießenden Sammelklagesystemen ausgehen kann. Negativbeispiele finden sich in Ländern mit anderen Modellen zuhauf.

Eine Feinjustierung wäre sinnvoll, wenn sie zu spürbaren Verbesserungen führte, wie die Schaffung strafferer Verfahrensstrukturen verbunden mit einer kürzeren Verfahrensdauer und einer effektiven Missbrauchskontrolle. Hier könnten etwa die großzügigere Verwertbarkeit von Beweisergebnissen aus Parallelfällen oder die Erweiterung der Möglichkeiten, Rechtsfragen in eigenen Zwischenverfahren zu klären, hilfreich sein.

Dr. Stefan Albiez ist Rechtsanwalt und Partner bei Binder Grösswang Rechtsanwälte. Er ist auf nationale und internationale Zivilprozessführung in Wirtschaftsstreitigkeiten spezialisiert.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 19.01.2017)

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