Drohende Aderverstopfung

Pro dritte Piste. Der Gerichtsentscheid gegen den Flughafenausbau zeigt die Hindernisse, die der Wirtschaft in den Weg gelegt werden.

Die Bundeshauptstadt Österreichs gilt allgemein als Drehkreuz des Westens in den Osten. Wien hat eine ausgezeichnete geografische Lage, um diese Funktion zu erfüllen und hat sich diesen Ruf auch hart erarbeitet. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) jedoch macht es dem Flughafen Wien-Schwechat auf Dauer schwer, dieses Alleinstellungsmerkmal weiterhin zu erfüllen.

Ein Standort lebt von seinen Infrastruktureinrichtungen. Diese sind sozusagen die Adern, durch die das Blut – die Wirtschaft – fließt. Was da aber gerade mit der Infrastruktur gemacht wird, ist ungefähr so, als ob man die Arterien langsam verstopfen lassen würde. Das ist im echten Leben lebensbedrohlich und hier eine Bedrohung für den Standort.

Dieser Entscheid des BVwG bedeutet nicht nur einen Rückschlag für unseren Standort. Er zeigt auch eine neue Dimension jener Hürden, die wesentlichen Projekten für das Gedeihen der Wirtschaft in den Weg gelegt werden. Ich blicke mit Sorge auf den Lobautunnel, den wir so dringend brauchen – für Wien, für Aspern, für die Unternehmer, aber auch für die Arbeitsplätze.

Doch Wien könnte so viel mehr, es hätte das Potenzial, seine Drehkreuzfunktion massiv weiter auszubauen. Die Voraussetzungen dafür sind da. Man stelle sich folgendes Szenario für Wien vor:

Europas Halsschlagader

Eine dritte Piste in Schwechat ermöglicht es den bis 2020 erwarteten 18 Millionen Nächtigungsgästen, schnell und unkompliziert nach Wien zu reisen und die Stadt zu genießen. Geschäftsleute aus allen Ecken und Enden der Welt nutzen Wien als zentralen Transitflughafen und machen diesen damit zum internationalen Drehkreuz des Flugverkehrs.

Europäische Institutionen wie die European Medicine Agency mit 900 Jobs könnten im Gefolge des Brexit ihren Sitz von London nach Wien verlegen, weil es hier neben den zahlreichen Vorteilen, die die Stadt bietet, auch einen leistungsstarken Flughafen gibt.

Ich möchte dieses Szenario noch weiter ausmalen: Stellen Sie sich vor, wir nutzen die zentrale Lage Wiens dazu, die Breitspurbahn von Shanghai bis nach Wien zu führen. Damit errichten wir hier einen zentralen Umschlagplatz für Milliarden Euro an Wertschöpfung. Das würde dauerhaft 6000 neue Jobs bringen und eine Ansiedelung von Logistikbetrieben von ungeahntem Ausmaß schaffen. Und dann gibt es auch noch den Hafen Wien, der in jüngster Zeit massiv erweitert wurde. Und jetzt stellen Sie sich vor, wir kombinieren diese einzelnen Infrastrukturprojekte zu einem gemeinsamen Hub: Luft, Schiene, Straße, Wasser!

Wien könnte die Halsschlagader Europas werden und diesen Kontinent auf allen Ebenen der Infrastruktur mit Gütern und Wertschöpfung versorgen. Neben der lebenswertesten Stadt der Welt (laut Mercer) besteht die Möglichkeit, die stärkste Verteilerstadt Europas zu werden.

Wer bewahren will, was er hat, muss sich ständig weiterentwickeln. Für mich bedeutet das: Will Wien eine Weltstadt bleiben, muss es wieder Weltstadt werden! Doch derzeit entwickeln wir uns gerade zur Provinz zurück.

Walter Ruck ist Baumeister und Präsident der Wirtschaftskammer Wien. Seit seinem Antritt bekennt er sich zum Ausbau der dritten Piste und verfolgt das Ziel, die Breitspurbahn bis nach Wien zu holen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 16.02.2017)

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