Wo Verkehr ist, ist Wohlstand – wo keiner ist. . .?

Die Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bau einer dritten Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat ist für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Österreichs von grundlegender Bedeutung.

Vorletzte Woche sind zwei Entscheidungen von Ober- und Höchstgerichten die Genehmigung großer Verkehrsprojekte betreffend bekannt geworden. Das Bundesverwaltungsgericht veröffentlichte sein Erkenntnis bezüglich des Ausbaus des Flughafens Wien, die Entscheidung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Elbvertiefung wurde ebenfalls bekannt gemacht. Beiden Entscheidungen ist gemein, dass große Verkehrsprojekte – zunächst – nicht realisiert werden können.

Die Elbvertiefung ist notwendig geworden, damit weiterhin große hochseetaugliche Schiffe den Hamburger Hafen ansteuern können, um dort Ware zu ent- wie auch zu aufzuladen. Damit würde langfristig der Bestand des Hafenstandortes Hamburg gesichert. Das Bundesverwaltungsgericht billigte zwar weitgehend die Pläne für die Elbvertiefung, die Behörden müssen sie aber überarbeiten. Es gebe rechtliche Mängel, die jedoch nachträglich behoben werden könnten. Das allerdings verzögert die geplanten Maßnahmen weiter, die Ausbaggerung der Elbe kann vorerst nicht beginnen.

Zehnseitiges Erkenntnis

Richter Rüdiger Nolte rügte den von Hamburg und dem Bund vorgelegten Planfeststellungsbeschluss als „rechtswidrig und nicht vollziehbar“. Insbesondere beanstandete das Leipziger Gericht Teile der Pläne zur Anpassung der Fahrrinne, gegen die Umweltverbände geklagt hatten.

Die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts in Wien sind für die künftige Entwicklung Österreichs von noch viel grundlegenderer Bedeutung. Der Antrag auf Errichtung einer dritten Piste wurde aufgrund des Nichtvorliegens eines entsprechenden Interesses abgelehnt. Das Erkenntnis hat mehr als zehn Seiten. Es zeichnet sich dadurch aus, dass ausführlich die sachlichen Grundlagen ausgearbeitet werden, vor allem auch die Stellungnahmen der verschiedenen Sachverständigen, die zum Teil sehr unterschiedlicher Meinung sind.

Im Folgenden wurden die verschiedenen Punkte des öffentlichen Interesses dargestellt und abgewogen. Neben den ökonomischen Möglichkeiten des Erhalts und der Steigerung der Wirtschaftsleistung rund um den Flughafen wie auch für Wien wurden auch ausführlich die Aspekte einer Umweltschädigung, insbesondere der erhöhte Ausstoß von CO2 behandelt. Bemerkenswert waren die Verweise auf das Grundrecht eines hohen Umweltschutzstandards nach Artikel 37 der Grundrechtscharta sowie auf die österreichische Bundes- und die niederösterreichische Landesverfassung; nicht zu vergessen sind die Ausführungen zum Pariser Weltklimavertrag.

Kein öffentliches Interesse

Nach Abwägung aller Argumente kam das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass kein öffentliches Interesse für den Bau einer dritten Piste bestünde, sondern das öffentliche Interesse des Umweltschutzes Vorrang habe. Dieses Erkenntnis hat eine erhebliche Anzahl negativer Reaktionen der Politik, Wirtschaft und der Gewerkschaften hervorgerufen.

Gänzlich übersehen wurde vom Bundesverwaltungsgericht das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit nach Artikel 16 der Grundrechtscharta. Wenn mehrere Grundrechte im Widerstreit sind, so ist von den Gerichten eine Abwägung dieser vorzunehmen, die Ignorierung eines solchen in der Entscheidungsfindung macht diese anfechtbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Sinne des Textes des Artikels 18 Bundesverfassungsgesetz gehandelt, in dem es heißt: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“

Aufgrund dessen stellen sich grundsätzliche Fragen über die weitere, vor allem die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs.

Die Wirtschaftsgeschichte beginnend mit den Anfängen der Zivilisation vor 8000 Jahren zeigt, dass dort, wo Handel und wirtschaftliche Entwicklungen waren, Wohlstand und ein Fortschritt der Zivilisation feststellbar war. Die Basis der großen Zivilisationen in Mesopotamien war der Verkehr und der Handel mit verschiedenen Wirtschaftsgütern. Damit war auch immer ein Austausch der Ideen und Gedanken verbunden.

Die Städte an der Seidenstraße, die heute noch einen legendären Ruf haben, begründeten ihren Ruhm mit dem Austausch von Waren, die entlang ihres Gebietes gehandelt worden sind. Die Niederlande, und vorher die flämischen Handelsstädte, kamen durch Handel und somit durch Verkehr zu Wohlstand und Blüte.

Vorrang für Umweltschutz

Historisch nachweisbar ist auch der Verlust des Wohlstands bis hin zum Untergang von Zivilisationen durch die Verringerung oder Einstellung des Handels und somit des Verkehrs. Als Beispiel sei wiederum der starke Bedeutungsverlust der Städte entlang der Seidenstraße nach Entdeckung des Seewegs um Afrika durch die Portugiesen im 15. Jahrhundert erwähnt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Abwägungen dem Umweltschutz Vorrang gegenüber der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung gegeben und hat auf die von den Politikern geforderten und umgesetzten gesetzlichen Regelungen verwiesen. Das Gericht vollzieht nur die von Politikern beschlossenen Gesetze. Das ständige Einfordern neuer gesetzlicher Regelungen, das ständige Fordern von noch mehr Umweltschutz, das ständige Fordern von noch mehr Restriktionen beim Ausbau von Infrastrukturmaßnahmen führt natürlich durch eine die Gesetze ausführende Verwaltung und Gerichtsbarkeit zu solchen Entscheidungen, über die heute viele äußerst unzufrieden sind.

Unverantwortliche Politik

Gerade in einer Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs durch tief greifende technische und daraus resultierende gesellschaftliche Veränderungen, einer Zeit der rasanten Globalisierung und des Wettbewerbs der Staaten um die besten wirtschaftlichen Standorte ist es für die Politik erforderlich, für die Bevölkerung, die sie gewählt hat, die Entscheidungen zu treffen, damit wirtschaftliches Wohlergehen gefördert wird und in Zukunft bestehen bleibt.

Unausgegorene Ideen zu verfolgen, die lauthals in den Medien und sozialen Netzwerken propagiert werden, um schnellen Applaus zu erheischen, ohne über die Folgen unter Berücksichtigung aller Pros und Kontras nachzudenken, ist unverantwortliche Politik.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts lehrt, dass wirtschaftliche Krisen den Aufstieg von Diktaturen und Heilsbringern ermöglichen, die dann Staaten ins Unglück stürzen. Die Wahlergebnisse und Umfragen in europäischen Ländern sind auch Signale, die die Politik nachdenklich machen sollte. Auch der Blick auf die Vorgeschichte der Französischen Revolution, auf drei Jahrtausende chinesischer Geschichte ist lehrreich. Schwere wirtschaftliche Krisen führten immer zu einem Umsturz des herrschenden Systems beziehungsweise der Dynastie.

DER AUTOR

Dr. Wolf Georg Schärf studierte an der Universität Wien und ist seit 1995 als Rechtsanwalt tätig. Er beschäftigt sich mit Fragen des nationalen und internationalen Wirtschaftsrechts. Schärf vertrat wiederholt Mandanten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union. Autor einer Anzahl von Publikationen zu juristischen Themen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2017)

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