Das Problem mit Verfahren, die lokal gesteuert werden

Anmerkungen zu den Berufungsverfahren an österreichischen Universitäten.

In der Diskussion über die Probleme der österreichischen Universitäten ist die Auseinandersetzung mit den Berufungsverfahren, so, wie sie vom UG 2002 vorgesehen sind, sicherlich die heikelste. Die Debatte über die Besetzung eines Grazer Lehrstuhls, die jetzt entbrannt ist, stellt nur einen weiteren Höhepunkt dieser Kontroverse dar.

Man könnte das Ganze nun als Personalie abtun oder gar auf Stammtischniveau abgleiten und hier vor allem einen Konflikt zwischen „Österreichern“ und „Germanen“ sehen. Damit könnten gängige Vorurteile bedient werden, der Sache gerecht würde man damit nicht im Mindesten werden. Heidemarie Uhl hat in ihrem am 17. Februar veröffentlichten Beitrag schon vorgezeichnet, welche Richtung eine sachliche, lösungsorientierte Debatte nehmen muss.

Faktum ist, dass das in vielem unsaubere und inkohärente UG 2002 ein Berufungsverfahren geschaffen hat, das lokal praktisch zur Gänze gesteuert werden kann. Zwar gibt es pro forma Kontrollinstanzen – doch was tun, wenn diese sich systematisch für unzuständig erachten? Wenn die Universitätsräte ihre Kontrollaufgabe leugnen und sich lieber in der weit ehrenvolleren und weniger konfliktträchtigen Rolle des strategischen Steuerungsorgans sehen? Wenn das Ministerium zwar nach § 45 UG 2002 für eine Kontrolle der Rechtskonformität zuständig wäre, aber an allen Kontrollzugängen ein Eintrittsverbot mit dem Titel „Universitätsautonomie“ sieht?

Spielraum für Willkür

Dann wird Spielraum für Willkür geschaffen, wie es sie für einen Rechtsstaat nicht geben dürfte. Es geht um die Qualität der Berufungsverfahren, die nach Maßgabe des UG 2002 nicht mehr gewährleistet ist. De facto ist es so, dass lokale Netzwerke jeden durchbringen können, den sie haben wollen, jeden verhindern können, der örtliche Arrangements stören könnte. Das beginnt bereits mit der Zusammensetzung der Kommission und der Auswahl der Gutachter. Formal läuft dies über den Senat, tatsächlich wird dies aber über die Institute bzw. die dortigen Potentaten gesteuert. Und diese haben oft wenig Interesse, sich wirkliche Konkurrenz hereinzuholen.

Der Blick in andere Länder

Die Lösung läge auf der Hand: Die Auswahl der Gutachter und die Zusammensetzung der Kommissionen müsste zentral nach einem Zufallsmechanismus geschehen, so, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall ist. Den Kandidaten müsste – so wie europaweit mit der sogenannten Konkurrentenklage – Parteistellung eingeräumt werden, und die Aufsicht beim Wissenschaftsressort könnte zumindest in der Vorbegutachtungsphase einer neutralen Instanz von Experten überantwortet werden. Den Beschwerdeführern müsste Rechtsstellung eingeräumt werden, damit zumindest in Fällen eklatanter Inaktivität die Gerichte angerufen werden können.

Um gleich einem beliebten, aber durchsichtigen Gegenargument vorzubeugen: Damit sollen Berufungsverfahren keineswegs den Gerichten überantwortet werden, sondern die gerichtliche Kontrolle soll – wie in allen anderen Lebensbereichen auch – nur eine subsidiäre Rolle einnehmen und in Fällen krassen Missbrauchs und Rechtsbruchs greifen. Dann würden viele Intrigengerüste sofort in sich zusammenbrechen, da die ganze dafür aufgebrachte Energie nutzlos verschwendet wäre. Und es würde sehr viel Zeit frei werden für echte wissenschaftliche Arbeit. Zum Nutzen derjenigen, denen solche Arbeit ein Anliegen ist und letztlich auch zum Nutzen der Universitäten selbst.

Dr. Peter Hilpold ist Professor für Völkerrecht und Europarecht an der Universität Innsbruck und Autor von über 250 Publikationen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2017)

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