Schickt Trump dann seine Armee?

Mexiko hat historische Erfahrung mit äußeren Mächten, die es zum Bezahlen seiner Schulden zwingen wollen.

Verfolgt man die Nachrichten und auch die Twitter-Einträge des neuen US-Präsidenten, Donald Trump, rund um den Bau einer Mauer zu Mexiko und seine Ankündigung, dass Mexiko diese Mauer bezahlen müsse, fühlt man sich in die Rhetorik der Diplomatie des 19. Jahrhunderts zurückversetzt. Und man kommt nicht darum herum, sich die unangenehme Frage zu stellen, was wohl passiert, wenn sich Mexiko weigert.

Skizzieren wir hier das schlimmstmögliche Szenario: Zunächst Abzug des US-Botschafters aus Mexiko City, dann Abbruch der diplomatischen Beziehungen, Verhängung von Wirtschaftssanktionen und zuletzt gar eine Militärintervention zum Eintreiben der „Schulden“.

So skurril dieses Szenario zunächst auch anmutet, Mexiko hat bereits Erfahrung mit Militärinterventionen zur Eintreibung von Staatsschulden gemacht. Eine derartige Intervention gab es bereits 1861 von den damaligen Großmächten Frankreich, Großbritannien und Spanien angesichts der völligen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit Mexikos.

Das Land war durch den vorhergegangenen blutigen Bürgerkrieg an den Rand des Staatsbankrotts geraten. So erließ der mexikanische Kongress im Juli 1861 ein Gesetz, das einen Stopp der Rückzahlung von Auslandsschulden vorsah. Frankreich, Großbritannien und Spanien, die Hauptgläubiger Mexikos, ließen sich dies nicht bieten und griffen zu den Waffen.

„Mexikanisches Abenteuer“

Die Allianz der europäischen Mächte währte nur kurz: Schon wenige Monate nach Einlangen der ersten Truppen in Mexiko zerstritten sie sich, die britischen und spanischen Truppen zogen wieder ab, ohne eine vollständige Schuldentilgung erzielt zu haben. Dagegen beließ der französische Kaiser Napoleon III. seine Truppen in Mexiko und unterstützte die Wiedererrichtung einer Monarchie. Zu diesem Zweck wurde ein Bruder des österreichischen Kaisers Franz Joseph, Maximilian, nach Mexiko gelockt. Dessen „mexikanisches Abenteuer“ endete jedoch mit seiner Erschießung 1867 und der Wiederherstellung der Republik unter Benito Juárez. Damit waren die Amerikapläne Napoleons III. gescheitert.

Seit 1945 Interventionsverbot

Damals waren es europäische Mächte, die zur Schuldeneintreibung militärisch intervenierten, während die USA unter Präsident Abraham Lincoln sich für eine friedliche Lösung und ein demokratisches unabhängiges Mexiko einsetzten. Sollte sich nun der Spieß umdrehen und die USA gegen Mexiko vorgehen – während die Europäer dies zu verhindern versuchen?

Freilich hat sich die völkerrechtliche Situation längst grundlegend geändert: Schon 1867 vereinbarten Großbritannien und Argentinien in einem Handelsvertrag, dass es unzulässig sein solle, bei Nichtbezahlung von Schulden militärisch zu intervenieren. Seit 1945 ist ein Interventionsverbot auch durch die UNO-Charta abgesichert.

Fraglich bleibt jedoch, ob ein Politiker wie Donald Trump, der bereits im Wahlkampf angekündigt hat, mit allen politischen und diplomatischen Gepflogenheiten zu brechen, sich an eine so allgemein gehaltene Bestimmung wie das Interventionsverbot in der UN-Charta gebunden fühlt. Reichen die bestehenden völkerrechtlichen Bestimmungen aus, um schwächere Länder vor allfälligen militärischen Interventionen ihrer mächtigen Nachbarn zu schützen? Oder kehren wir zurück in die Ära des Völkerrechts, wie es im 19. Jahrhunderts bestanden hat?

Dr. Miriam Gassner studierte Rechtswissenschaften in Dijon, Alcalá de Henares und Wien und verfasste ihre Dissertation über die völkerrechtlichen Beziehungen der Habsburger-Monarchie zu Südamerika zwischen 1815 und 1867.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2017)

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