Unheilige Allianzen

Die Pauschalablehnung der Globalisierung fördert den Protektionismus, kann Handelskriege und Wirtschaftskrisen auslösen.

Trotz der unleugbaren Tatsache, dass wir der Globalisierung einen erheblichen Teil unseres Wohlstands verdanken und sie es ermöglichte, eine Milliarde Menschen aus tiefster Armut zu befreien, wird sie für immer mehr Bewohner des Westens zum Feindbild. Das hat viel mit der jüngsten Wirtschaftskrise als Folge einer fehlgeleiteten Liberalisierung der globalen Finanzmärkte zu tun, ist aber auch ein Produkt linker und rechter Ideologie und intellektueller Wohlstandsverwahrlosung.

Die freiheitliche Marktwirtschaft muss national und global durch politische Rahmenbedingungen eingehegt werden. Global geschieht dies durch internationale Organisationen und Abkommen. Tragischerweise hat die Wirtschaftskrise keine Diskussion über ein notwendiges neues Design der globalen Rahmenbedingungen ausgelöst, sondern eine rational nur schwer begründbare und brandgefährliche Pauschalablehnung der Globalisierung samt Rückzug in die jeweiligen Schrebergärten bewirkt.

Damit droht eine Wiederholung der Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg mit steigendem Protektionismus, Handelskriegen, Abwertungswettläufen und Weltwirtschaftskrisen. Die Allianz der Globalisierungsgegner besteht dabei aus heterogenen Gruppen mit unterschiedlichen Motiven.

Drei Gruppen von Gegnern

Drei Gruppen stechen hervor: Erstens gebildete, grünaffine Wohlstandsbürger mit wenig Wirtschaftskontakt und -wissen. In ihrer komfortablen Lebenssituation bezweifeln sie den Sinn fortgesetzten Wachstums und weiterer Produktivitätssteigerungen, kritisieren die „internationalen Konzerne“, deren Produkte sie weidlich nutzen, und wollen der Globalisierung mit der Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe begegnen.

Zweitens die ideologisch meist weit links stehenden Fundamentalkritiker des marktwirtschaftlichen Systems. Sie träumen von einem kleinräumig strukturierten, auf Gemeinwohl, Kooperation und Basisdemokratie ausgerichteten nationalen Gesellschaftsmodell ohne störende Einflüsse der Außenwelt. Sie bedienen sich geschickt der Ängste einer Wohlstandsgesellschaft vor Absenkungen ihres luxuriösen Lebensstandards.

Die dritte, stark expandierende und politisch rechts einzuordnende Gruppe zeichnet sich durch ökonomisches Unverständnis, Affinität zu Verschwörungstheorien, Nationalismus sowie Fremden- und Elitenfeindlichkeit aus. Sie glaubt an einfache Problemlösungen innerhalb der eigenen Landesgrenzen durch Volksentscheide in einem autoritären Regime. Viele dieser Gruppe sehen sich als Globalisierungsverlierer.

In diese Richtung führt der neue Präsident Donald Trump die USA. „America First, America will be great again“ (oder Austria, Hungary, Poland, Russia, Turkey?). Das ist allerdings kein zukunftsfähiges Konzept für eine Welt von morgen mit zehn Milliarden Menschen.

Die Zukunft der EU hängt kritisch davon ab, ob es genügend mutige Politiker gibt, die sich nicht in das Fahrwasser der unheiligen Allianz von Globalisierungsgegnern aller Schattierungen begeben, sondern glaubhaft, faktentreu und in Wort und Tat für die vier wirtschaftlichen Grundfreiheiten eintreten. In dieser Frage Optimist zu bleiben, fällt allerdings schwer.

Erhard Fürst (* 1942) leitete zuletzt den
Bereich Wirtschaft und Industriepolitik
der Industriellenvereinigung.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2017)

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