Gastkommentar

Die SPÖ und der blaue Brei

Im Umgang mit den Freiheitlichen zeigte sich die SPÖ stets äußerst „situationselastisch“: mal war sie Partner, mal Gottseibeiuns.

Wenn es um den Machterhalt geht, wirft man auch Grundsätze über Bord. An diese Erkenntnis erinnert derzeit das Herumreden um den heißen, blauen Brei, wie das gerade die SPÖ tut. Symptomatisch dafür war ein Interview mit Altbundespräsident Heinz Fischer im ORF.

Der gewiefte Formulierer drückte sich sätzelang um eine klare Aussage herum, wie es die SPÖ nun mit der FPÖ halten solle. Um schließlich zu meinen, dass man die jetzige Situation nicht mit jener vor 30 Jahren vergleichen könne. Heute habe man es nämlich mit drei etwa gleich großen Parteien zu tun, damals aber hätte die SPÖ 40 und die FPÖ weit weniger als zehn Prozent der Stimmen gehabt.

Die Einstellung zu einer Partei allein auf mathematische Vergleiche zu reduzieren, zeigt geradezu das Dilemma auf, in dem die SPÖ-Führung steckt. Und weist auf einen unehrlichen Umgang mit der Vergangenheit hin: Die FPÖ war der SPÖ nämlich immer höchst willkommen, wenn es darum ging, die ÖVP auszumanövrieren. Sie wurde aber zum „Gottseibeiuns“, wenn sie ein Bündnis mit der ÖVP einging.

Es beginnt bereits in den ersten Nachkriegsjahren. So verhalf der sozialistische Innenminister Oskar Helmer 1949 sogenannten Ehemaligen bei der Gründung und Zulassung einer eigenen Partei. Diese hieß Verband der Unabhängigen (VdU), aus dem dann 1955 die FPÖ hervorging.

Vranitzkys Koalitionsverbot

Mitte der 1960er-Jahre war es der sozialistische Gewerkschaftspräsident Franz Olah, der die Freiheitlichen zu unterstützen suchte. Ausschlaggebend für Helmers wie Olahs Zuneigung zur FPÖ war, dass sie damit eine wählbare Alternative für bürgerliche Wähler aufbauen wollten und so die ÖVP zu schwächen hofften.

1970, als die ÖVP die absolute Mehrheit verlor und sich in den Schmollwinkel zurückzog, zögerte Bruno Kreisky nicht lange. Er ließ sich seine Minderheitsregierung durch die FPÖ abstützen, die als Gegenleistung gewissermaßen „hoffähig“ gemacht wurde.

Schließlich 1983. Da hatte Bruno Kreisky keine Hemmungen, nachdem ihm Alois Mock die absolute Mehrheit weggenommen hatte, die FPÖ ins Regierungsboot zu holen, um so seinem Nachfolger, Fred Sinowatz, den Bundeskanzler zu sichern. Umgekehrt aber mobilisierte man die Sozialistischen Internationale, um im Jahr 2000 die erstmalige Bildung einer schwarz-blauen Regierung unter der Führung von Wolfgang Schüssel zu verteufeln. Das ging so weit, dass man sogar die EU-Kommission dazu brachte, über das damals noch recht junge EU-Mitgliedsland Österreich Sanktionen zu verhängen.

Der eigentliche Grund für das vor 31 Jahren von der SPÖ beschlossene Koalitionsverbot war nicht, dass man „eine Partei der Rassisten und Ewiggestrigen“ von der Regierungsverantwortung ausschließen wollte. Vielmehr dachte man, damit verhindern zu können, dass sozialistische Arbeiter zur FPÖ abwandern. Was in weiterer Folge freilich massenhaft geschah.

Es wäre Zeit, sich der geschichtlichen Wahrheit zu stellen und sich nicht über eine Urabstimmung unter den noch verbliebenen Parteimitgliedern das Placet für einen Tabubruch zu holen.

Mag. Herbert Vytiska (*1944) war 15 Jahre lang Sprecher des am Donnerstag verstorbenen früheren ÖVP-Chefs Alois Mock. Heute ist er Politikberater in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2017)

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