"In Europa wartet nicht das Paradies, sondern die Gosse"

Fünf Empfehlungen zur Flüchtlingspolitik an Außenminister Kurz.

Ich teile das wiederholt artikulierte Anliegen von Außenminister Sebastian Kurz, die Zahl der Menschen, die aus Afrika zu uns kommen, so gut es geht zu senken, zumal wir dem Zuzug in größerer Zahl offenkundig nicht gewachsen sind. Daher mache ich folgende Vorschläge:

1) Minister Kurz sollte beim failed state Libyen ansetzen. Dort findet er seit dem Sturz von Gaddafi, der uns für jährlich fünf Milliarden Euro die Flüchtlinge vom Hals hielt und einer Million Afrikanern Arbeit gab, aber keine Ansprechpartner. Die Libyer flüchten erstaunlicherweise nicht. Im Süden des Landes leben sie zum Teil von Menschenschmuggel, nachdem ihnen der Westen den Tourismus weggebombt hat. Und in Würde verhungern wollen sie nicht. Kurz müsste mit den Ländern südlich von Libyen verhandeln, die sind nämlich die Transitländer.

2) Kurz sollte Ägypten in Ruhe lassen, das instabil genug ist und keinesfalls mit Aufnahmelagern für Migranten zusätzlich destabilisiert werden darf. Denn sonst machen sich auch noch Millionen Ägypter auf den Weg. 50 Prozent von denen wären Analphabeten (im Gegensatz zu zwei Prozent Analphabeten bei den Syrern).

Lächerliche Drohungen

Kurz sollte auch nicht mit der Kürzung der Entwicklungshilfe drohen, sofern es ihm nicht nur um den Wahlkampf geht. Österreichs Entwicklungshilfe ist ohnedies lächerlich gering und macht nur einen Bruchteil des Geldes aus, das Migranten in ihre Herkunftsländer zurückschicken; im Falle der Militärdiktatur Eritrea betragen die Rücküberweisungen von Geflüchteten bis zu einem Drittel des BIP.

Ich will mir gar nicht vorstellen, welche Völkerwanderung einsetzen würde, wenn es diese Gelder nicht mehr geben sollte. Mit solchen Kürzungsdrohungen macht sich Kurz in dieser Weltgegend nur lächerlich.

4) Kurz sollte in Staaten wie Nigeria, dessen Bürger kaum Chancen auf Asyl haben, das tun, was seine Parteikollegin Johanna Mikl-Leitner erfolgreich und vergleichsweise billig im Kosovo getan hat: in allen möglichen Medien Inserate schalten, in denen mitgeteilt wird, dass es keinen Zweck hat, nach Österreich/Europa zu kommen, weil man nicht als Flüchtling anerkannt wird; und selbst wenn man nicht zurückgeschickt werden kann, kann man nicht legal arbeiten, das Schleppergeld nicht zurückzahlen, die Familie zuhause nicht unterstützen. Es geht darum, die Geschichten der Schleppermafia zu konterkarieren.

Die Lügen der Schleppermafia

Äthiopien hat auf diese Weise die Ausreise Tausender „Kindermädchen nach Saudiarabien gestoppt, wo die gutgläubigen Frauen als (Sex-)Sklavinnen gehalten wurden. Das UNHCR hat ausreichend Material gesammelt, mit welchen Lügen die Schlepper arbeiten. Kurz müsste sich also in die Fernsehstudios der Hauptherkunftsländer der Migranten setzen und den Menschen dort sagen, dass Sie in Europa nicht das Paradies, sondern die Gosse oder das Gefängnis erwartet! Vielleicht würden da ja auch seine Ministerkollegen in der EU mitmachen.

5) Kurz müsste sich dafür einsetzen, dass endlich legale Routen nach Europa für anzuerkennende Flüchtlinge eingerichtet werden. Es mag ihm im österreichischen Wahlkampf zwar helfen, dauernd zu behaupten, die Menschen kämen illegal (um hier ihr verbrieftes EU-Recht, einen Asylantrag zu stellen, auszuüben). Aber zugleich unterstützt er mit seiner Politik die Schlepper und die Armutsmigranten – und nicht die Bevölkerung Österreichs!

Livia Klingl war 25 Jahre außenpolitische Journalistin. Sie ist Autorin der Bücher „Wir können doch nicht alle nehmen!“ (2015) und „Lauter Fremde!“ (2017), beide Bücher erschienen bei Kremayr & Scheriau,.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2017)

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