Gastkommentar

Tourismusboom in Dalmatien mit Schattenseiten

Einheimische nehmen den Urlauberansturm nicht mehr als Schicksal hin.

Die Bilder der Warntafeln gingen um die Welt: Vor wenigen Wochen stellte die Stadt Hvar an der Dalmatinischen Küste Schilder auf, die Touristen unter dem Motto „Spare Geld und genieße Hvar“ warnten, unter einer Strafandrohung zwischen 500 und 700 Euro, nicht in Bikinis durch die Stadt zu gehen, Alkohol auf öffentlichen Plätzen zu trinken oder wild zu übernachten.

Als auf Hvar vor fast 150 Jahren 1869 der Heilsverein von Lesina die ersten Touristen begrüßte, erließ die Stadtverwaltung auch Verhaltensregeln. Die Verbote richteten sich jedoch nicht gegen die Besucher – man hoffte auf die Elite der Habsburger Monarchie als Winterkurgäste –, sondern an die ortsansässige Bevölkerung. Sie wurde angehalten, keinen Lärm zu verursachen und die Straßen sauber zu halten.

Heute richten sich die Regeln nicht mehr an die knapp 4000 Einwohner des Inselstädtchens, sondern an die Tausenden Touristen, die die Stadt besuchen. Seitdem 1999 eine exklusive Bar an der Uferpromenade ihre Pforten öffnete, hat sich Hvar als Party-Destination etabliert. Wohlbetuchte Prominenz ist gern gesehen, aber torkelnde Sauftouristen drohen den Ruf zu ruinieren.

Kroatische Medien berichten diesen Sommer fast täglich von betrunkenen Besuchern, die auf die Straßen urinieren, Körperteile exponieren und auch sonst nicht gerade zum Bild einer beschaulichen dalmatinischen Hafenstadt passen. Sie entsprechen auch nicht dem Image als Luxusdestination, das Hvar lieber gewinnen will.

Überflutetes Dubrovnik

Kroatien erlebt zur Zeit einen Tourismusboom, ausgelöst durch die Krisen in der Türkei und anderen beliebten Zielorten am Mittelmeer sowie durch Serien wie „Game of Thrones“. Allein in der ersten Jahreshälfte 2017 ist die Zahl der Touristen im Vergleich zum Vorjahr um über 20 Prozent gestiegen. Neue Luxushotels und Villen für Segel- und Jachttouristen und Hostels für junge Besucher sind die Konsequenz. Dieser Boom schafft Spannungen. Die Altstadt von Dubrovnik wird von Tausenden Kreuzfahrttouristen überflutet, so dass die Tore in der Hochsaison geschlossen werden müssen. Die Altstadt entvölkert sich. Dem Gedränge möchte sich kaum ein Stadtbewohner aussetzen.

Ärger über Konzessionen

Es brodelt überall in Dalmatien. Die Warntafeln am Eingang in die Innenstadt sind auch eine Warnung an die Regierung in Zagreb. Viele Bewohner der Touristengemeinden auf den Inseln und an der Küste sind unzufrieden mit der Entwicklung. Bei Lokalwahlen im Frühjahr gewannen unabhängige Bürgermeister in zahlreichen Gemeinden. Gleichzeitig kommen in der „Bewegung der Inseln“ erstmals Aktivisten zahlreicher Inseln zusammen und engagieren sich für eine nachhaltige Entwicklung.

Der Unmut richtet sich besonders gegen die Konzession für Strände. Auch wenn alle Strände öffentlich zugänglich sein müssen, versuchen die Konzessionäre, den Zugang nur zahlenden Gästen zu ermöglichen, die Liegen und Sonnenschirmen zu hohen Preisen mieten müssen.

Es wird nicht einfach sein, den Tourismusboom in eine konstruktive und nachhaltige Richtung zu lenken. Die neuen politischen und sozialen Bewegungen zeigen, das die Bevölkerung den Tourismus nicht mehr als Schicksal hinnimmt, sondern mitbestimmen will. Wenn das gelingt, ist es sowohl gut für den Tourismus als auch für die dalmatinische Küste und die Inseln, die trotz Tourismus in der Vergangenheit von Abwanderung und Perspektivlosigkeit geprägt waren.

Florian Bieber ist Professor für Südosteuropäische Geschichte und Politik an der Universität Graz und Leiter des dortigen Südosteuropazentrums. Er schreibt zur Zeit eine Geschichte der Insel Hvar.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2017)

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