Was Österreich wirklich bewegt

Die „Pille danach“ und kein Ende.

Das Jahr ging mit einiger Aufregung zu Ende: In Kopenhagen trachtete man danach, den Planeten vor dem Klimakollaps zu retten, zu Hause wurde die größte Bankenpleite der Geschichte abgewendet. Weitaus mehr Beunruhigung löste in jenen Dezembertagen aber ein scheinbar unbedeutendes Detail aus: Mit zehnjähriger Verzögerung hat Österreich die „Pille danach“ rezeptfrei gestellt. Nach Verhütungsunfällen ist dieses Notfallmedikament die letzte Rettung. Doch der Zugang gestaltete sich für Österreichs Frauen bisher kompliziert: Sie mussten einen entwürdigenden Hindernislauf absolvieren, um das rezeptpflichtige Medikament zu erhalten. Denn Sexualität wird meistens außerhalb der Bürozeiten gelebt, sodass die Suche nach einem verschreibenden Arzt hauptsächlich nächtens und am Wochenende stattfand. Endete diese Suche erfolglos, fanden sich diese Frauen häufig in unserer Ambulanz für einen Schwangerschaftsabbruch wieder.

Die derzeit erhältliche „Pille danach“ (Vikela) besteht aus einem Gelbkörperhormon. Dieses zählt zu den bestuntersuchten und bestverträglichen Medikamenten überhaupt und wird auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO ohne Einschränkung empfohlen. Über den Wirkungsmechanismus gab es früher nur Vermutungen. Neue Studien haben nun gezeigt, dass lediglich der Eisprung unterdrückt oder verschoben wird. Hat dieser bereits stattgefunden, ist auch die „Pille danach“ wirkungslos. Daher muss das Notfallmedikament innerhalb von zwölf Stunden (längstens 72 Stunden) nach dem Verkehr eingenommen werden. Der rasche, unkomplizierte Zugang mit rezeptfreier Abgabe ist also wesentlich. Dieser ist in fast allen westeuropäischen Ländern seit rund zehn Jahren Realität und hat sich gut bewährt. Ein allgemeiner Konsens über diese wirksame Maßnahme gegen ungewollte Schwangerschaften müsste also selbstverständlich sein.

Kirche gegen sexuelle Autonomie

In Österreich wurden wir eines Besseren belehrt. Die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ wurde hierzulande zu einer machtpolitischen Frage hochstilisiert. Nicht die einzelne Frau sollte über ihren Körper und ihre Sexualität entscheiden dürfen, sondern selbst ernannte Moralapostel, meist Männer aus dem Umkreis von rechten und konservativen Parteien und der Kirche. Diesen Gegnern geht es jedoch weder um eine Verbesserung der reproduktiven Gesundheit der Bevölkerung, sondern schlicht um die Bevormundung von Frauen. Denn statistische Daten zeigen, dass gerade jene Länder, die der weiblichen Bevölkerung die größte sexuelle Autonomie zugestehen, auch jene mit der höchsten Geburtenrate und der geringsten Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen sind.

Allen diesen ideologischen Sabotageversuchen zum Trotz haben wir uns weiterentwickelt: Heute können wir ungewollte Schwangerschaften so effizient verhüten wie noch nie in der Menschheitsgeschichte und es stirbt auch keine Frau mehr an den Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs. Aber Österreichs Bevölkerung wartet immer noch auf wichtige Errungenschaften der Aufklärung, die in anderen Ländern selbstverständlich sind: Verhütungsmittel auf Krankenschein, qualitätsorientierter Sexualkundeunterricht in den Schulen sowie Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetz, um nur einige zu nennen.

Doch die Diskussion wird vermutlich nicht so rasch verstummen. Im kommenden Jahr kommt eine neue „Pille danach“ (EllaOne) auf den Markt. Sie verhindert auch die Einnistung einer befruchteten Eizelle und wird vorerst nur mit Rezept erhältlich sein. Aufgeregte Reaktionen werden hier wohl nicht lange auf sich warten lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2009)

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