Gastkommentar

Grüne kommen wieder – Österreich braucht sie!

Das Wahldesaster hat viele Gründe. Einer heißt Maria Vassilakou.

Die Rücktritte bei den Grünen haben begonnen, weitere werden folgen, aber zuerst muss „analysiert“ werden. Maria Vassilakou, die Wiener Parteichefin, ging bei ihrer ersten Aussage im Fernsehen einen Schritt weiter, wollte die Vergangenheit gleich ganz hinter sich lassen und nur nach vorn schauen. Dazu hat sie gute Gründe, weil es war Wien, das die Grünen in den Abgrund gerissen hat. Und wir wissen auch, wo viele verlorene Wiener Stimmen begraben liegen: am Heumarkt, zwischen Konzerthaus und Hotel Intercontinental.

Maria Vassilakou hätte mehrmals die Möglichkeit gehabt, den Grünen diese Katastrophe zu ersparen. Zunächst, indem sie das Bauprojekt auf dem Areal des Eislaufvereins schon zu Beginn in den Griff kriegt und den vorhersehbaren fundamentalen Streit verhindert. Dann, indem sie den wütenden innerparteilichen Konflikt rechtzeitig auffängt. Und dann, nachdem sie das verfahrene Projekt mit Ach und Krach in ihrer Fraktion durchgesetzt hatte, indem sie nachher zurücktritt. Hätte sie damit ihr Versagen eingestanden, vieles wäre noch zu retten gewesen. Und es wäre ihr dafür Respekt gezollt worden.

Jetzt sind sie unter sich

Aber Maria Vassilakou ist nicht allein schuld. Der öffentliche Streit wurde ja nicht von ihr angezettelt, sondern von der grünen Gegenseite. Und die Öffentlichkeit musste den Eindruck gewinnen, bei den Wiener Grünen wimmle es von Wichtigtuern in der zweiten Reihe, die sich zwar in innerparteilichen Intrigen auskennen, aber zu wenig darüber hinaus.

So haben sich die Wiener Grünen selbst dargestellt und dem entspricht das verheerende Ergebnis. Aber das allein war es nicht. Natürlich war es dumm, Peter Pilz nicht wieder als Kandidaten aufzustellen. Und wer gehört hat, wie sich die, die den Blödsinn angerichtet hatten, auch noch nachträglich darüber gefreut haben, ihn endlich losgeworden zu sein, der konnte kommendes Unheil ahnen. Die Pilz Abwählenden wollten mehr unter sich sein, mehr wirklich grün. Jetzt sind sie unter sich. Aber für den Neuanfang wird mehr politischer Sachverstand nötig sein.

Gunst der Kronenzeitung

Ob das Projekt von Peter Pilz Zukunft hat, ist schwer zu sagen. Vielleicht, eher nicht. Es brauchte zum Erfolg die Gunst der Kronenzeitung. Die hatte vor Jahren auch Hans Peter Martin ins Europaparlament getragen und als sie ihm ihre Gunst entzog, war es wieder vorbei. Aber solange die Zeitung meint, dass Pilz ausreichend imstande sei, den Grünen zu schaden, wird sie ihn stützen.

Dass Pilz, der seinen Wahlkampf sehr stark gegen die Grünen geführt hat, jetzt deren Absturz bedauert, gebietet die politische Intelligenz. Den Freiheitlichen, von denen Pilz Stimmen holen wollte, hat er nicht geschadet. Auch das macht ihn der Kronenzeitung sympathisch.

Was wir aus dieser Wahl lernen konnten: Der Klimawandel, das für die Menschheit wichtigste Thema, interessiert in Österreich nicht. Der macht wahrscheinlich um das Land einen Bogen. Aber leider tun das die Flüchtlinge nicht, deren Lebensgrundlage der Klimawandel zerstört hat. Und dagegen wird auch nicht reichen, die Mittelmeerroute abzusperren und in Libyen Lager zu errichten.

Die Grünen werden wiederkommen. Österreich braucht sie. Wäre gut, wenn sie dazugelernt hätten. Denn die Wähler der Grünen sind besonders kritisch, verzeihen wenig Fehler und keine Dummheiten.

Dr. Peter Huemer (*1941 in Linz) war ab 1969 Mitarbeiter des ORF, von 1977 bis 1987 dann Leiter des „Club2“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2017)

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