Und wer spricht für die Betroffenen?

Gastkommentar. Einige ergänzende Überlegungen zum Debattenbeitrag von Professor Peter Husslein über das geplante Schadenersatzrecht in der Geburtshilfe.

Die Ergebnisse der Neonatologie der vergangenen Jahre haben sich unter anderem auch deshalb so dramatisch verbessert, weil die Bemühungen und die Entwicklung der Geburtshilfe, im Speziellen der Pränataldiagnostik, riesige Fortschritte gemacht haben.

Die beiden Spezialdisziplinen Geburtshilfe und Neonatologie sind so tief miteinander verwurzelt und verbunden, dass die jeweilige Qualität medizinischer Leistungen komplimentär das letztendliche Ergebnis für Kind und Familie bestimmt. Neonatologie und Pränataldiagnostik hängen inhaltlich viel mehr zusammen, als dies von der Öffentlichkeit im Allgemeinen wahrgenommen wird.

Jüngste Entwicklungen

Wenn heute mehr als zwei Drittel der sogenannten Risikoschwangerschaften gütlich ausgehen und Risikoneugeborene nicht nur überleben, sondern dies auch mit „guter Lebensqualität“ für Patienten und Angehörige einhergeht, so hängt dies – auch – mit der jüngsten Entwicklung der Pränataldiagnostik zusammen. Das heißt konkret mit der immer besseren Qualität der Ultraschall-, der Magnetresonanz und der genetischen Diagnostik und den sich daraus ergebenden Informationen für die Neonatologie.

Interdisziplinäre Kooperation

Alle großen internationalen Perinatalzentren, wie jenes am AKH beziehungsweise jenes der Medizinischen Universität Wien, erzielen heute ihre guten Ergebnisse aus dieser ganz engen interdisziplinären Zusammenarbeit.

Denn Pränataldiagnostik hat nicht nur etwas mit Abtreibung und Behinderung zu tun, sondern viel mehr mit einer wesentlich besseren Ausgangslage für oft schwer kranke Neugeborene und Frühgeborene, was das Schicksal dieser Kinder entscheidend beeinflusst.

In der derzeit ablaufenden – sehr verkürzten – Diskussion werden diese viel wichtigeren Aspekte überhaupt nicht berücksichtigt.

Wie schon so oft zuvor, kommen die eigentlich betroffenen Patienten beziehungsweise die sich als Anwälte dieser Kinder und ihrer Angehörigen verstehenden Neonatologen nicht zu Wort. Denn diese würden lautstark von dem in Begutachtung befindlichen Gesetz Rahmenbedingungen – nicht notwendigerweise im Sinne von Haftungen – einfordern, die die Qualität der Pränataldiagnostik nicht nur sicherstellen, sondern die wissenschaftliche Entwicklung beider Fächer (Neonatologie und Pränataldiagnostik) fördern und weiter verbessern.

Neugeborene werden bezahlen

Genau dieses Szenario sehe ich – auch angesichts der zum Teil viel zu geringen Förderung für klinische Forschung – derzeit nicht vor mir, vielmehr ist das Gegenteil zu befürchten. Werden diese Überlegungen aber nicht berücksichtigt, dann werden unsere Neugeborenen dafür bezahlen.

Univ.-Prof. Dr. Arnold Pollak ist Ordinarius für Neonatologie, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde sowie Vorsitzender des Senats der Med-Uni Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2011)

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