Abtreibungen dürfen nicht kriminalisiert werden

Eine Diskussion, die längst keine mehr sein dürfte, ist wieder aktuell. Mehr Frauenberatungsstellen sind auf jeden Fall nötig.

Gesundheitsminister Alois Stöger tritt dafür ein, dass geltendes Recht nicht nur eingehalten wird, sondern dass allen Frauen in Österreich dieselbe Qualität medizinischer Versorgung zukommt.

Damit löst er eine Diskussion aus, die längst keine Diskussion mehr sein dürfte, denn das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, ist hart erkämpftes Frauenrecht. Uns Frauen wurden das Recht auf Bildung, das Wahlrecht, das Recht, als Ehefrau berufstätig zu sein, jahrzehntelang vorenthalten, immer unter dem Vorwand, es wäre nur zu unserem Besten, zum Besten der Gesellschaft, nicht gleichberechtigt zu sein, denn nur wenn wir „wahre Frauen“ wären, auf Reproduktion und Familienarbeit beschränkt, kämen wir unserer göttlichen und sozialen Bestimmung nach.

Erschreckende Töne

Dass diese Töne auch noch im 21. Jahrhundert den öffentlichen Diskurs beleben, ist erschreckend.

Deutlich erkennt man jetzt dreierlei:

1. Feminismus ist heute genauso notwendig wie in den vergangenen Jahrhunderten.

2. Bei der Durchsetzung von Frauenrechten, selbst bei gesetztem Recht, braucht es Engagement und Mut, denn Frauen sind in Österreich immer noch Menschen zweiter Klasse.

3. Für Lobbying in Frauensachen fühlt sich niemand wirklich zuständig. Nichts bewegt sich. Frauenquoten in Parlamenten und Aufsichtsräten stagnieren oder sind gar rückläufig.

Tatsache ist: Ungewollte Schwangerschaften passieren. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Eine solche Schwangerschaft abzubrechen ist nicht eine Form der Verhütung, sondern ein existenzielles Grundrecht einer Frau, die ihr gesamtes weiteres Leben vor sich hat. Sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden ist ein schwerwiegender Entschluss, ein Risiko, dem sich die Frau in dem Wissen aussetzt, das einzig Richtige zu tun, um ihr Leben auch weiterhin meistern zu können, um selbst in Menschenwürde zu überleben.

Schönes Zubrot

Dass der Eingriff in einem öffentlichen Spital vorgenommen werden kann, stellt sicher, dass die Frau medizinisch und psychologisch bestversorgt ist – vor, während und nach der Abtreibung. Eine Reihe von Gynäkologen verdient sich ein schönes Zubrot, mit der einen oder anderen Abtreibung in ihrer Praxis hier und da. Sie legen ihre Preise dafür beliebig fest und verursachen durch mangelnde Routine oft unsägliches Leid.

Viele Frauen schämen sich, wenn sie um eine Abtreibung nicht herumkommen. Sie haben in ihrer belasteten Situation selten Zeit, Nerven und Courage, Preise und Serviceangebote zu vergleichen. So verzweifelt und abenteuerlich wie Frauen in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts nach Holland aufgebrochen sind, um Abtreibungen machen zu lassen, begeben sich Frauen heute noch in irgendwelche Ordinationen, lassen an sich geschehen, worüber sie oft nur sehr mangelhaft aufgeklärt wurden, zahlen und fahren wieder nach Hause, in der Hoffnung, bald alles zu vergessen.

So wie man das Recht auf eine glückliche Ehe nicht durch ein Verbot der Scheidung durchsetzen kann, wird man Frauen nicht dadurch zu glücklichen Müttern machen, indem man Abtreibung verbietet oder kriminalisiert. Damit es zu möglichst wenigen Schwangerschaftsabbrüchen kommt, muss in Mädchen- und Frauenberatungsstellen österreichweit investiert werden. Chancengleichheit muss für alle Mädchen und Frauen im gesamten Bundesgebiet herrschen. Frauengesundheit ist ein Bereich, in dem nicht gespart werden darf.

Die Autorin ist Geschäftsführerin der Frauenberatungsstelle Leibnitz verein-freiraum.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2011)

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